Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
Vom Netzwerk:
dass er ohne Pause Tag und Nacht durch alle acht Reiche galoppiert sei, denn so habe es ihm Euer Bruder aufgetragen.« Dann verflog ihre Freude plötzlich und sie ließ ihre Hand mit dem Brief sinken, als bedauere sie es bereits, ihn Adilean gezeigt zu haben. »Ich fürchte, er enthält keine guten Nachrichten«, fügte sie an, »der Bote sagt, dass die Stadt bei seiner Abreise vom Feind heftig bedrängt wurde und dass Euer Bruder sehr erregt war, als er ihm diesen Brief übergab. Seid Ihr sicher, dass Ihr ihn lesen wollt?«
    Adilean streckte ihre Hand aus und eine fast grimmige Entschlossenheit stand in ihrem Gesicht. Sie hatte einen ähnlich starken Charakter wie ihr Bruder und lieber erhielt sie eine schlimme Nachricht über einen Todesfall als gar keine Neuigkeiten.
Alfargus hatte diesen Brief eigenhändig verfasst, und zumindest war er noch am Leben gewesen. Das genügte ihr fürs Erste. »Gib ihn mir«, antwortete sie kurz angebunden.
    Alyssa zögerte noch einen Moment, dann übergab sie ihr das Schreiben.
    Adilean suchte nach dem Papiermesser aus Elfenbein, das sie auf dem Nachttischchen aufbewahrte. Bis vor wenigen Minuten hatte sie es noch zum Lesen benutzt, doch ihr Kopf war mit zu vielen Sorgen angefüllt, als dass Bücher sie noch davon ablenken konnten. Das rote Siegel auf dem Brief trug tatsächlich den Abdruck von Alfargus’ Ring, den ihr Bruder immer am Finger trug. Hastig brach sie es. Alyssa hatte sich neben das Bett gestellt und wartete nun ebenfalls gespannt darauf, den Inhalt des Schreibens zu erfahren. Das Papier raschelte, als Adilean es auffaltete. Das Blatt war vollständig von Alfargus’ enger, entschiedener Schrift überzogen, doch an einigen Stellen war die Hand ihres Bruders nicht so sicher gewesen wie sonst, einige Buchstaben neigten sich zur Seite, und ab und an war das Papier sogar von der Feder durchbohrt. Alfargus musste sehr aufgeregt gewesen sein, als er diese Zeilen verfasst hatte. Mit wachsender Sorge begann Adilean den Brief zu überfliegen:
    Meine geliebte Schwester,
    ich schreibe Dir in einem Moment höchster Gefahr. Die Stadt ist beinahe umzingelt, es fehlt an Verstärkung, und wenn Dhannam, Amorannon und unser Vater noch länger ausbleiben, werden wir nicht mehr lange standhalten können. Seit Tagen haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Der Anführer der uns bedrängenden Feinde hat vor drei Tagen mit mir persönlich gesprochen. Er hat gesagt, sein Name sei Tharkarún, und er hat mir geschworen, dass er nach drei Tagen zurückkehren werde, um mich zu töten. Ich habe versucht, ihn zu verwunden, doch ich fürchte, das ist mir nicht gelungen. Offen gesagt bin ich mir beinahe sicher, dass er tatsächlich wiederkehren wird, um seinen
Schwur einzulösen, und dass ich nichts tun kann, um ihn daran zu hindern. Der dritte Tag ist angebrochen, und wenn Dich dieser Brief erreicht, werde ich sehr wahrscheinlich schon tot sein, umgekommen in einem fernen, grausamen Land, weit weg von der Heimat.
    Aber vor meinem Ende muss ich dir unbedingt noch etwas anvertrauen …
    Unter Tränen las Adilean weiter. In seinen letzten Stunden, vielleicht sogar den letzten Augenblicken seines Lebens, hatte der Bruder beschlossen, ihr das schreckliche Geheimnis zu enthüllen, das er mit seinem Vater teilte. König Gavrilus, ihr so innig geliebter Vater, der alles für ihr Glück getan hätte, hatte sie verraten. Er hatte sie an einen Verbrecher verkauft, an einen skrupellosen, verabscheuungswürdigen Mann, und sie ihm zur Frau versprochen. Ganz ohne sie zu Rate zu ziehen, ohne Amorannons Wissen, der stets unermüdlich kämpfte, um das Leben seines Königs zu verteidigen, von dem er nie etwas anderes verlangt hatte als die Hand seiner Tochter. Während sie hier allein in Astu Thilia vergeblich auf Neuigkeiten wartete und in ihrem Leib das Kind des Mannes trug, den sie liebte und von dem sie jetzt getrennt werden sollte.
    »Unser Vater hat Velinan ein ewiges Versprechen gegeben«, vertraute ihr Alfargus nun an. »Nur sein Tod oder der des anderen könnten es lösen.« Und sie war zu Gehorsam verurteilt und durfte sich nicht wehren. Jetzt weinte sie still vor sich hin, den Brief noch immer in der Hand, und wusste nicht einmal, ob sie mehr ihr eigenes unglückseliges Geschick betrauerte oder ihren geliebten älteren Bruder, der vielleicht nicht mehr am Leben war. »Ich bitte dich, ihm zu vergeben«, schrieb ihr Alfargus, »vergib du ihm, obwohl es mir nicht gelingt. Zum Wohle unseres Vaterlandes, zum

Weitere Kostenlose Bücher