THARKARÚN – Krieger der Nacht
bestimmt nur sehr unglücklich. Aber ich weiß, dass Ihr jung seid und vor Zorn brennt und dass Ihr viel durchgemacht habt.« Er hob ironisch eine Augenbraue. »Und dass Ihr äußerst begabt für Magie seid.«
Elirion ließ den Bogen sinken. Sein letzter Pfeil hatte das Ziel verfehlt – ein im Vergleich zu den vorherigen äußerst schlecht platzierter Schuss. »Woraus schließt Ihr das?«, fragte er aufbrausend.
»Aus der Art und Weise, wie sich der Bogen verhält«, antwortete Sirio. Jetzt hatte der junge König der Menschen sich zu ihm umgedreht; dem Druiden war es gelungen, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erregen. »Eigentlich kann dieser Bogen nicht Euch gehören, weil Ihr nicht derjenige seid, der seinen Vorbesitzer getötet hat. Wenn der, wie ich vermute, eines natürlichen Todes gestorben ist, dürften nur seine Nachkommen diese Waffe für sich beanspruchen. Und doch verhält sich der Bogen so, als wärt Ihr sein Besitzer, und das schon seit Langem, daran besteht kein Zweifel. Es ist nicht die Gefahr, die seine Kräfte heraufbeschwört, sondern der Kontakt mit Eurer Hand und all das, was Euch durch den Kopf geht. Das ist etwas ganz Besonderes, Elirion.«
Elirion musterte nachdenklich den Bogen in seinen Händen. »Und was sollte ich Eurer Meinung nach tun?«, fragte er. »Soll ich
mich jetzt aus dem Krieg zurückziehen und mich dem Studium der Magie widmen?«
»Ich habe nichts dergleichen behauptet.« Sirio klang äußerst ungehalten, selbst wenn er immer noch sein Lächeln auf den Lippen hatte. Die Spätnachmittagssonne spiegelte sich in seinen Augen. »Aber warum solltet Ihr Euch nicht ein wenig mit Magie befassen? Wenn man eine gesunde Einstellung dazu hat, ist es eine edle Kunst, die viel Gutes bewirken kann. Ich habe keine Zweifel, dass Ihr herausfinden werdet, wie stark Ihr seid.« Er musterte ihn. »Die Frage ist nur: Wie stark seid Ihr tatsächlich? Vielleicht kann Allan Sirio Euch helfen, das herauszufinden. In Kürze werde ich aufbrechen, um zu den Shardari zu gehen. Ich bin dort geboren, und es ist nur recht und billig, dass ich ihnen unsere Botschaft überbringe. Ich schlage Euch vor, mich zu begleiten. Ich glaube, diese Sache liegt Euch am Herzen.«
Elirion starrte weiter auf den Bogen in seiner Hand. Er schien sich zu fragen, ob der Druide ihn irgendwie hereinlegen wollte. »Und was bezweckt ihr noch damit?«
Allan Sirio war wegen dieser Unterstellung nicht beleidigt. »Ich bezwecke gar nichts damit. Nur den Wunsch, nützlich zu sein, Euch wie allen anderen. Das hier ist nur der bescheidene Vorschlag von jemandem, der glaubt, Euch helfen zu können.«
Elirion überlegte einen Augenblick. Kein Hauch, weder kalt noch warm, bewegte die Luft.
»Herg wird mit uns kommen«, sagte Elirion schließlich, und sein Ton duldete keinen Widerspruch. »Hauptmann Skellensgard kann das Heer sehr gut allein zur Großen Mauer in der Ebene führen, aber Herg wird sich niemals von mir trennen, das wird er nicht wollen und ich möchte ihn auch nicht dazu zwingen. Wenn er nicht mitkommen darf, komme ich auch nicht mit.«
»Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass wir zwei allein gehen müssen«, sagte Sirio. »Herg ist äußerst willkommen, wenn es sein Wunsch ist, Euch zu begleiten. Vielleicht ist so eine Reise ja auch für ihn ganz nützlich.«
Elirion nickte knapp mit dem Kopf, um anzuzeigen, dass die Angelegenheit damit für ihn beendet war. Er drehte sich weg, nahm einen neuen Pfeil in die Hand und legte ihn wieder an. Sirio rührte sich nicht vom Fleck. Dann wandte sich Elirion noch einmal ruckartig zu ihm um, es war offensichtlich, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte.
»Manchmal frage ich mich, wer Ihr seid«, gestand er. »Hauptmann Skellensgard sagte mir, Ihr seid jemand, der nichts als Unsinn zu erzählen hat. Aber ich habe den Eindruck, dass Eure Worte sehr vernünftig sind und immer einen Sinn ergeben, ja oft mehr als einen. Wer seid Ihr, Meister Sirio?«
Der Druide stand auf und zupfte den Umhang auf den Schultern zurecht. »Euer Hauptmann ist ein scharfer Beobachter. Doch ich glaube, es ist alles viel einfacher. Ich bin Allan Sirio, ein Druide, der bei den Shardari geboren wurde. Und ich habe weit weniger Geheimnisse, als die Leute mir gerne unterstellen.«
Elirion seufzte tief. Zum ersten Mal wirkte er entspannt.
»Ich denke, ich kann Euch vertrauen«, sagte er.
»Ihr solltet vor allem Euch selbst vertrauen«, erwiderte Sirio augenzwinkernd.
ACHTUNDDREISSIG
A LS FARIK RILKART
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