THARKARÚN – Krieger der Nacht
Chroniken gesehen hatte: ein in der Mitte mit einer Bronzenadel zusammengehaltenes Tuch aus rotem Stoff über den Schultern, eine weiße Schärpe um die Taille, die bis auf die Hüften hinunterhing, und weite schwarze Hosen. Ihre Füße auf dem Steinboden waren nackt. Sie hatten ihre langen dunklen Haare zu Pferdeschwänzen zusammengenommen, die ihnen üppig bis auf den Rücken hinabfielen. Instinktiv zügelte Dhannam sein Pferd ein wenig.
»Also gut, unsere Freunde gibt es also wirklich«, sagte Ulf Ghandar leise und mürrisch neben ihm. »Worauf warten wir noch? Los, gehen wir sie begrüßen.«
Dhannam war in den Anblick der Ritter versunken und rührte sich immer noch nicht vom Fleck. Dann begriff er, dass die anderen von ihm erwarteten, die Spitze zu übernehmen. Er war der Königssohn, der Führer der Mission, er war jetzt ihr Vertreter und nicht länger der Letzte der Gruppe. Rasch trieb er sein Pferd an und die beiden Obersten folgten ihm. Sie verließen den Wald und ritten auf den Feuerschein zu.
Sobald sie sich bewegten, kreuzten die Wachen in vollendeter Harmonie ihre Piken vor dem Tor, wobei die Waffen klirrend aufeinandertrafen, sodass es klang, als würde nur ein einziges Wesen diese Bewegung ausführen. Ihre Gesichter blieben weiterhin gleichmütig und maskenhaft starr.
Dhannam ritt noch ein Stück voran und hielt dann in kurzem Abstand zu ihnen und dem Tor an.
Erst da zeigte einer der beiden Wachtposten, und zwar der links, dass er sie bemerkt hatte, und sprach sie an. »Wer kommt hier zum Tempel der Finsternis?«, rief er mit klangvoller Stimme. Dhannam bemerkte mit Erleichterung, dass er die gemeinsame Sprache benutzt hatte, die von allen acht Völkern verstanden wurde, denn die der Menschen kannte er nicht sehr gut und Ulf Ghandar hätte sonst als Dolmetscher fungieren müssen. Allerdings war der Zwergenoberst sicher kein Meister der Diplomatie.
Dhannam räusperte sich nervös, bevor er antwortete. »Möge das Glück immer auf Eurer Seite sein, Ritter«, begrüßte er sie. »Der hier mit Euch spricht, ist Dhannam, der Thronfolger des Elbenreiches. In meiner Begleitung sind Lisannon, der Oberst des Elbenheeres, und Ulf Ghandar, ein Offizier der Steinwache.«
Die beiden Wachen blieben noch einen quälend langen Augenblick regungslos stehen, bevor sie wieder in vollkommener Harmonie die Piken zurückzogen.
»Glück soll Euch auf allen Wegen folgen«, erwiderte die Wache rechts, die zunächst geschwiegen hatte. »Seid willkommen in unserem Tempel!«
Dhannam fing Lisannons ermutigenden Blick auf, dann ritt er voran bis zum Tor. Eine der beiden Wachen rief etwas hinauf, worauf das Tor sich lautlos in seinen Angeln zu drehen begann. Es musste sich um einen magischen Mechanismus handeln, da niemand zu sehen war, der es zog oder aufdrückte. Die Straße, die sie bis hierher geführt hatte, setzte sich dahinter fort und endete vor drei schwarzen Steinstufen, an deren oberem Ende sich unter
einem Vordach das auf beiden Seiten von Säulen umrahmte große goldene Portal zum Tempel der Finsternis befand.
Die beiden Wachen hatten sich an den Seiten des Tors postiert und schienen nicht vorzuhaben, sie zu geleiten. So standen die drei Reisenden schließlich allein vor dem Portal; Dhannam stieg von seinem Pferd, übergab seine Zügel an Lisannon und lief die Stufen hinauf. Das Portal war zwar geschlossen, doch genau in der Mitte war ein ebenfalls goldener Türklopfer angebracht, darüber konnte man ein Messingschild erkennen, in das eine Inschrift eingraviert war. Dhannam las die Verse, die ihre Ankunft im Tempel begrüßten, allen laut vor:
Mit fröhlichem Ruf
Grüßt dich hier
Ein freundliches Dach
Am Ende des Weges:
Verirrter oder Reisender,
Du seist willkommen,
Woher du auch kommst,
Wer immer du bist.
»Anscheinend stimmt es, dass hier jeder aufgenommen wird, ohne dass man ihm Fragen stellt«, erklärte er. »Ich klopfe jetzt an.«
Ohne eine Zustimmung abzuwarten, betätigte er dreimal den Türklopfer.
Unmittelbar darauf öffnete jemand von innen einen Türflügel. Dhannam blieb gerade noch Zeit, den Türklopfer loszulassen, als auch schon ein weiterer Ritter vor ihm erschien. Er war genauso gekleidet wie die Wachen, wirkte kräftig und durchtrainiert wie diese, aber er trug keine Waffen, jedenfalls waren auf den ersten Blick keine zu sehen.
»Seid willkommen«, begrüßte er sie. »Ich bin der Bruder Pförtner. Euer Besuch kommt zwar überraschend und zu später Stunde, aber deshalb wird
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