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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Vorschlag angenommen hatte, aber Adilean hielt ihn zurück. »Wartet«, rief sie und der Bauer eilte sofort wieder an ihre Seite. »Ich muss Euch etwas geben.«
    Sie zog den Ring vom Mittelfinger der rechten Hand. Es war ein Geschenk ihres Vaters, der Ring war aus Weißgold und mit zwei Saphiren und einem Diamanten geschmückt. Mit diesem Schmuckstück hätte man viermal das Haus von Virgo und Quanya und ihren gesamten Besitz bezahlen können. Mit fester Hand überreichte sie ihn ihrem Gastgeber, der sie höflich verwundert anschaute. »Nehmt ihn bitte«, forderte sie ihn auf. »Zum Zeichen meiner Dankbarkeit. Ihr habt so viel für mich getan, ohne überhaupt meinen Namen zu kennen, und Ihr könnt mir zwar verbieten, den doppelten Preis für die Rüstung zu bezahlen, aber ich verbiete Euch, diesen Ring zurückzuweisen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, und ich wäre verletzt, wenn Ihr ihn nicht annehmt. «
    Virgo starrte sie an, als wolle er sie fragen, ob sie wisse, was sie tue, ganz offensichtlich konnte er das alles nicht glauben. Dieser Ring bedeutete für ihn und seine Familie einen unerwarteten Reichtum. Adilean lächelte, als er ihn annahm.
    »Ich danke Euch vieltausendmal, edle Dame«, stammelte er. Vor Rührung konnte er kaum sprechen.
    »Ihr müsst mir für nichts danken«, erwiderte Adilean, und das war nicht nur eine höfliche Floskel. »Ihr habt mein Leben und das meiner Kinder gerettet, das ist mit Geld nicht zu bezahlen. Doch ich muss Euch noch um einen letzten Gefallen bitten.« Sie wühlte in der Tasche ihres Umhangs und holte die Silberbrosche, auf der Mond und Sonne eingraviert waren und die ihr Amorannon
geschenkt hatte. »Nehmt auch diese hier und bewahrt sie gut auf. Sollte mir irgendetwas zustoßen«, hier schnürte ihr es fast die Kehle zu und sie konnte kaum weitersprechen, »sollten Monate vergehen und niemand kommen, um die Kinder abzuholen, dann nehmt die Zwillinge und diese Brosche und bringt sie zu König Gavrilus oder General Asduvarlun. Erzählt ihm, wie Ihr sie erhalten habt, und alles, was geschehen ist – sie werden verstehen. Ich kann mich auf Euch verlassen, nicht wahr?«
    Bei diesen Worten waren ihr die Tränen in die Augen gestiegen, doch sie konnte sie zurückhalten, als sie die Brosche in Virgos Hände legte. Sie hatte alles Notwendige getan, um die Zukunft ihrer Kinder zu sichern. Nun fühlte sie sich erleichtert. Ab jetzt ging es wieder nur um sie, sie konnte das eigene Leben aufs Spiel setzen, wenn sie das wollte, für ein Ziel, das ihr richtig erschien.
    »Ihr könnt Euch auf uns verlassen«, versprach Virgo.
    Adilean legte nicht zum ersten Mal eine Rüstung an. Ihr Bruder Dhannam, der ungefähr ihre Statur hatte, hatte sie seine einmal anprobieren lassen, als sie ihn darum gebeten hatte. Damals hatte er leicht verlegen gemeint, dass sie sich darin wesentlich wohler zu fühlen schien als er. Adilean hatte das Schwert ein paar Mal durch die Luft geschwungen – sie konnte ein wenig fechten und ihre Bewegungen waren alles andere als dilettantisch – und Dhannam spielerisch aufgefordert, sich zu ergeben. Er hatte sich unverzüglich zu ihrem Gefangenen erklärt. Damals konnte man noch darüber Scherze machen. Es war erst wenige Jahre her, nichts schien den Frieden der acht Reiche erschüttern zu können, es gab noch keine Spannungen im Großen Rat und eine Rüstung war nur ein reines Zierstück, ein prunkvoller, kunstvoll gravierter Schmuck aus Gold und Silber, den man bei Paraden anlegte. Aber dennoch war sie bis in die letzte Einzelheit perfekt, vom Helmschmuck bis hin zu den Gurten der Beinschienen, und ziemlich schwer.

    Dennoch konnte sich Adilean zu ihrer eigenen Überraschung völlig ungezwungen darin bewegen. Dann war Gavrilus ins Zimmer gekommen, hatte laut und lange gelacht und schließlich Dhannam ermahnt, er möge sich beeilen. Bald sollte die jährliche Prozession zum Tempel der zwölf Götter beginnen und da war keine Zeit für Spielereien.
    Dhannam hasste diese offiziellen Anlässe. Darin konnte ihm Adilean zustimmen, aber dass es eine Qual war, eine Rüstung zu tragen, konnte sie nicht nachvollziehen. Ihr hatte es gefallen.
    Als sie jetzt den Brustpanzer anlegte, die Schulterstücke und den Seitenschutz, die Armschienen aus schwerem Stahl um die Unterarme band und den Helm auf dem Kopf zurückrückte, hatte dies eine ganz andere Bedeutung. Und doch nahm Adilean bei aller Sorge wieder diese Erregung wahr, die ungewohnt und doch irgendwie vertraut war.

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