THARKARÚN – Krieger der Nacht
einer langen Rede, doch er irrte sich. Der Großmeister schwieg darauf und die Ritter knieten geschlossen nieder wie ein Mann, als er die Hand hob, um sie zu segnen. Auch Dhannam war niedergekniet, ohne dass ihn jemand dazu aufgefordert hätte. Der Großmeister blickte ihn an und auf seinem zerfurchten Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Kein strahlendes Lächeln, denn seine Zähne waren altersgelb, doch Dhannam hatte den Eindruck, dass es mehr bedeutete als jeder Segen, da es nur ihm allein galt.
Als Lisannon ihn mit einem Klaps auf die Schulter aufforderte, sich zu erheben, schob er die Hand des Offiziers beiseite und schüttelte den Kopf. Dhannam vermutete, der Oberst empfände es als unangemessen, dass der Sohn des Elbenkönigs niederkniete, selbst wenn es sich um einen so altehrwürdigen Mann wie den Großmeister des Ordens der Ritter der Finsternis handelte. Doch dann hatte sich Lisannon zu Dhannams Überraschung neben ihm auf die Knie niedergelassen. Der Großmeister hatte nichts weiter hinzugefügt, er hatte gesagt, was zu sagen war, und ging, eskortiert von seiner vierköpfigen Leibwache, wieder zum Tempeleingang zurück. Erst als er am Fuß der Freitreppe stand, erhob sich der Elbenprinz und Lisannon tat es ihm nach. Auch Ghandar schien dem Großmeister Respekt entgegenzubringen. Er hatte es sogar aufgegeben, sich gegen die Liebesbeweise des Katers zu wehren.
Das Tor schloss sich hinter dem Großmeister, doch die Ritter verharrten in ihrer ehrerbietigen Haltung, erst als Vaskas Rannaril »Wegtreten« befahl, kam Bewegung in die Formation. In drei geordneten Reihen marschierten sie zu den Ställen des Tempels und Dhannam folgte ihnen mit seinen beiden Begleitern. Nun würden sie die Pferde holen und zur Großen Mauer in der Ebene reiten, geleitet von der Hoffnung, noch rechtzeitig zu kommen und den anderen wertvolle Hilfe und Trost zu bieten. Dhannam
war zunächst so erleichtert darüber gewesen, dass ihn seine Mission von der Großen Mauer ferngehalten hatte, aber jetzt würde er freudig dorthin aufbrechen. Der Gedanke, seinen Vater wiederzusehen und mit Elirion Fudrigus Seite an Seite kämpfen zu können, erfüllte ihn mit Freude. Endlich konnte er dem stolzen Menschenkönig zeigen, was in ihm steckte.
Er dachte mit Stolz daran, dass er vor all die Leute treten würde, die viel bedeutender waren als er, im Bewusstsein, dass er den Auftrag, die sie ihm anvertraut hatten, erledigt und so seiner Pflicht bis ins Letzte erfüllt hatte. Vielleicht würde es ihm jetzt sogar gelingen, sich nicht mehr so von General Asduvarlun einschüchtern zu lassen.
Lisannon, der ihm gefolgt war, gestand: »Ich kann es kaum abwarten, Meister Sirio zu einer Partie Khandan herauszufordern.« Beide mussten lachen, so ernst die Lage auch war.
Nun war es etwas ganz anderes, durch die Reiche zu reisen, schließlich waren sie nicht mehr drei einsame Gestalten, sondern hatten die schweigsamen Ritter der Finsternis hinter sich. Bis auf das Geräusch der klappernden Hufe war es still, von den Rittern, die anscheinend nicht das Bedürfnis hatten, sich zu unterhalten, war nichts zu hören, man spürte ihre Anwesenheit eher, so wie man einen Blick wahrnimmt, der sich einem in den Rücken bohrt. Dhannam fühlte sich wesentlich sicherer als zuvor, selbst wenn es ihm unter den gegebenen Umständen ein wenig unangenehm war, seine üblichen Gespräche mit Lisannon wiederaufzunehmen. Ulf Ghandar wirkte noch finsterer und bärbeißiger als sonst, weil er wieder zu Pferd reisen musste, was die Situation nicht gerade erleichterte.
Zum Glück redete der oberste Zaubermeister ununterbrochen, übergangslos sprang er ungezwungen von einem Thema zum nächsten, interessiert beäugt von Rufus, der sich in einem am Sattel befestigten Korb offensichtlich wohlfühlte.
Am meisten wunderte sich Dhannam aber über Vaskas Rannaril.
Da der oberste Kampfmeister im Tempel immer so ernst und finster dreingeblickt hatte, hatte Dhannam angenommen, er würde auch sonst seine Zeit in absolutem Schweigen verbringen. Doch bereits am ersten Tag ihrer Reise stellte sich heraus, dass Vaskas Rannaril nicht nur kämpfen konnte, er war auch ein großartiger Erzähler.
Vor seiner Zeit bei den Rittern der Finsternis, in seinem früheren Leben, wie er es nannte, war er kreuz und quer durch die Reiche der acht Völker gereist und hatte merkwürdige und faszinierende Dinge erlebt, die er jetzt in glühenden Farben schilderte. Dhannam hing gebannt an seinen Lippen. Als
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