THARKARÚN – Krieger der Nacht
brummte zustimmend, während Araneus den Stofffetzen sorgfältig glättete und in seine Tasche steckte, dabei wiederholte er den Namen wieder und wieder. »Und dennoch bin ich sicher, dass ich ihn schon gehört habe, wenn ich mich nur erinnern könnte, wo und in welchem Zusammenhang«, sagte er. »Aber der Weg zur Großen Mauer ist lang und ich werde genug Zeit haben, darüber nachzudenken. Und wenn unser Freund wieder auftauchen sollte, können wir ihn ja direkt fragen. Los jetzt, lasst uns weiterziehen.«
Während Ghandar mühsam auf sein Pferd stieg, dachte Dhannam weiter an Tharkarún. Irgendetwas verband er noch mit diesem Namen, aber es fiel ihm einfach nicht ein, was das sein könnte. Araneus hatte recht. Der Weg zur Großen Mauer war weit, genug Zeit also, um über den Namen nachzudenken. Jede noch so vage Erinnerung konnte hilfreich sein.
DREIUNDFÜNFZIG
H ERG SASS IN einer Ecke des Zeltes und flickte seine Hosen. Nadel und Faden hatte er sich von Naime geliehen, die mit Elirion am Zelteingang saß und heißen Kräutertee trank. Hin und wieder warf sie einen neugierigen Blick auf den großen schweigsamen Mann mit den gelben Augen, der mit sicherer Hand den Faden in das Nadelöhr einfädelte und völlig in seine Arbeit versunken schien.
Elirion hatte sie nicht gefragt, ob Brennus wusste, dass sie hier war, denn er ahnte die Antwort bereits. Als Naime angeboten hatte, ihm Gesellschaft zu leisten, hatte er entschieden, dass es ihm egal war, was Brennus dachte. Sollte ihn Naimes Bruder doch für einen ehrlosen König halten, ohne Sinn für Anstand und mit schändlichen Absichten. Das würde ihm nicht verbieten zu tun, was er für richtig hielt, das galt für Naime genauso wie für jeden anderen. Deshalb hatte er ihr Angebot freudig angenommen.
Sie hatte sich hingesetzt und den mit bunten Bändern geschmückten Haarzopf nach hinten geworfen. Ihre Augen ähnelten denen ihres Bruders, aber nur in der grauen Farbe. Aus Brennus’ Blick sprachen Argwohn und Verachtung, während Naimes Augen Sympathie und Wärme ausstrahlten.
Elirion mochte die Art, wie sie mit ihrer zarten Hand die Teetasse umfasste, und die Natürlichkeit, mit der sie sich in ihrem knöchellangen Rock bewegte. Sirio hatte ihm geraten, sie nicht
so oft anzusehen, doch er hatte dabei gelacht, denn er wusste, dass der Menschenkönig sich nicht daran halten würde. Naime fand Elirions Interesse nicht unangenehm, im Gegenteil, sie schien geschmeichelt. Zum Teufel mit Brennus! Sie war doch aus freien Stücken zu ihm gekommen!
»Es ist nicht leicht für einen Fremden, unser Volk zu verstehen«, erklärte Naime. »In der Vergangenheit gab es so viel Missverständnisse, wir sind so oft ausgenutzt, verfolgt und vertrieben worden, man hat uns für Dinge angeklagt, mit denen wir nichts zu tun hatten. Dadurch sind wir argwöhnisch geworden und vertrauen nur auf uns selbst, wir vermuten stets, dass die anderen uns schaden wollen. Aber das war nicht immer so, unsere Kultur gründet sich auf ganz andere Werte. Kennst du unsere Lieder? Hat Onkel Allan dir jemals etwas vorgesungen?«
Elirion schüttelte den Kopf. »Sirio ist äußerst zurückhaltend, was seine Herkunft angeht«, erklärte er. »Irgendwie seltsam, wenn man seine Offenheit in anderen Dingen bedenkt. Nein, er hat nie gesungen. Ist er wirklich dein Onkel?«
»Natürlich nicht.« Naime lachte und blickte ihn nachsichtig an. »Aber ich nenne ihn seit meiner Kindheit so und irgendwie sind wir auch miteinander verwandt, allerdings weiß ich nicht wie. Um ehrlich zu sein, da wir immer untereinander heiraten, sind wir sowieso alle miteinander verwandt. Aber ich habe gerade von unseren Liedern erzählt. Es gibt ein altes Lied, das unsere Art zu denken in poetischen Worten ausdrückt. Zumindest so, wie sie früher war oder wie sie wieder sein sollte.«
Elirion hörte ihr zu, war aber nicht recht bei der Sache. Er hatte unbewusst begonnen, mit einem der Bänder zu spielen, die von ihrem Rock herabhingen. Als er es bemerkte, hörte er sofort damit auf. »Was meintest du?«, fragte er leise.
Naime setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und richtete mit ernstem Gesicht ihren Oberkörper auf. »Ich habe kein Haus, ich habe kein Land und ich habe keinen Frieden«, rezitierte sie mit wohlklingender Stimme. »Wenn ich an deine Tür klopfe und
du öffnest und mich auf deinem Land willkommen heißt, werde ich an deiner Seite sein und deinen Frieden verteidigen.«
Dann schwiegen sie, und es war, als hallten
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