THARKARÚN – Krieger der Nacht
aus dem Gleichgewicht geraten. Um ihn mit neuer Lebenskraft zu versorgen, intonierten die Zauberer unablässig ihre Litanei. Sie wussten, welch schrecklicher Kampf sich in Shaka Aleks Innerem abspielte, ein Kampf zwischen seiner Selbstkontrolle und der Magie in seinem Körper, die mit aller Macht versuchte, die Oberhand zu gewinnen. Nach außen war von dieser inneren Zerrissenheit nichts zu spüren, der Dämon lag reglos da, als wäre er tot. Hin und wieder löste ein ausgeruhter Magier einen erschöpften Gefährten ab. Die Zauberer hielten sich an den Händen und taten alles, um ihm beizustehen. Obwohl selbst der größte Skeptiker unter den acht Völkern die gewaltige Energie hätte spüren können, die von ihrem Gesang ausging, war bei Shaka zumindest auf den ersten Anschein hin keine Veränderung zu erkennen. Doch Sirio wusste, dass dies täuschte. Der Kampf im Inneren des Dämons tobte dennoch weiter, irgendwann würde er wieder zu sich kommen.
Allan Sirio drückte die Hand von Chatran Ballaschain etwas fester. Der Zauberer zu seiner Rechten verstand sofort und sang jetzt eine Oktave höher. Ein guter Magier, dieser Chatran. Der Suchtrupp, der in den Wald aufgebrochen war, um Farik Rilkart zu suchen, war seit einem Tag wieder zurück und hatte jemand mitgebracht, der in einem besorgniserregenden Zustand war. Auf
dem Rückweg war es immer wieder zu kurzen Auseinandersetzungen mit dem Goblin gekommen, bei denen Chatran sich als sehr nützlich erwiesen hatte. Man hatte den Goblin in ein Zelt gebracht, wo er von vier Zauberern bewacht wurde, bis sich der Magus und Sirio mit vereinten Kräften um den Besessenen kümmern konnten. Der Magus hatte an diesem Morgen verkündet, er sei wieder im Vollbesitz seiner Fähigkeiten. Länger hätten sie auch nicht warten können. Fariks Gesundheit und das Gelingen der Mission standen auf dem Spiel. Allan Sirio hatte keine Fragen gestellt, er hasste überflüssige Fragen.
Chatran versetzte ihm einen leichten Stoß, ohne den Gesang zu unterbrechen. Sirio riss sich aus seinen Gedanken und drehte sich fragend zu ihm um. Der Sharda wandte den Kopf zu Shaka, Sirio folgte seinem Blick und alle anderen Gedanken waren urplötzlich wie weggeblasen. Obwohl sich der Dämon offenkundig nicht bewegt zu haben schien, blieb dem Druiden das leichte Flattern der Augenlider nicht verborgen. Ein erstes Anzeichen, dass er bald aufwachen würde. Was dann geschehen würde, wusste niemand. Vielleicht hatten die Gesänge der Zauberer geholfen, dass Shaka sich wieder im Griff hatte. Dann würde er wieder sein wie früher, geistig gesund und vernünftig, ohne natürlich seine quälenden Erlebnisse zu vergessen. Doch vielleicht waren all ihre Bemühungen sinnlos gewesen und die Zauberkraft hatte ihn durchdrungen und die Oberhand über Körper und Geist des Dämons gewonnen. Dann würde gleich eine Bestie in Dämonengestalt die Augen aufschlagen, die sogar den Magus an seine Grenzen gebracht hatte, und deshalb war äußerste Vorsicht geboten.
Sirio ließ die Hände seiner Nebenmänner los und die Zauberer verstanden sofort. Der Gesang verstummte. Alle Augen waren wie gebannt auf Shaka Alek gerichtet. Wieder lief ein Zittern über das Gesicht des Dämons, dieses Mal war es sehr viel deutlicher zu erkennen. Die langen Haare auf dem Kissen zuckten, als hätten sie ein Eigenleben. Einige der Umstehenden griffen nach
ihren Zauberstäben. Dann öffneten sich Shakas Lippen und er sog gierig die Luft ein, wie ein Taucher, der lange unter Wasser geblieben war und jetzt dringend Sauerstoff brauchte. Er schlug die Lider auf und sah aus, als sei er aus einem grässlichen Albtraum erwacht. Sirio hielt den Atem an, als in Shakas purpurfarbenen Augen Bewusstsein aufblitzte.
Langsam setzte sich der Dämon auf. Seine Füße näherten sich bereits dem Boden, als er einen nachdenklichen Blick in die Runde warf, als könne er nicht begreifen, wo er sich befand und was mit ihm geschehen war. Er versuchte sich zu erinnern, wusste aber, dass es bestimmt nichts Angenehmes war. Dann fuhr er sich mit der Hand über Hüften, Arme und Beine, als suche er nach Zeichen auf seiner Haut, nach Beweisen für das Erlebte. Aber da war nichts. Wieder öffnete sich sein Mund und er blies, wie von einer Last befreit, laut den Atem wieder aus. Sein Blick glitt erneut über die verstummten Zauberer, seine Finger strichen durch das gelöste Haar, dann suchten seine Augen Allan Sirio und er neigte ehrerbietig seinen Kopf.
»Meister Sirio«,
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