THARKARÚN – Krieger der Nacht
anscheinend hatte das Blut den Stoff wie eine Säure angegriffen und teilweise zersetzt. Tharkarún tauchte einen Finger seiner behandschuhten Hand in die Wunde und beschmierte sich mit der dunklen Flüssigkeit. Dann beugte er sich über Asduvarlun, als ob er ihn segnen wollte.
»Trage dieses Zeichen in Erinnerung an mich, Bruder«, zischte er ihm giftig ins Ohr. »Trage dies in Erinnerung an das Leid, das ihr mir zugefügt habt.«
Sein Finger berührte Asduvarluns offene Wunde, und als der Blutstropfen, der noch auf dem Handschuh klebte, dort eindrang, fühlte der General, wie ein Schmerz durch seinen Körper raste, den keine Worte der Welt ausdrücken konnten, auch wenn Darylon, der Gott der Sprache, eigens dafür neue geschaffen hätte, hätten sie nicht ausgereicht. Es war grausamer als jede Folter, hässlicher als alle Krankheiten, schlimmer als Feuer und Eis und furchtbarer, als man sich überhaupt vorstellen konnte. Mit einem zornigen Aufschrei hob Asduvarlun entschlossen den Arm, in dem er immer noch Ligiya hielt. Wenn er schon geschlagen war und sterben sollte, dann wollte er Tharkarún zumindest noch einen zweiten Hieb versetzen, doch sein Feind sprang schnell einen Schritt zurück.
Dann hörte er einen zweiten Ruf hinter sich, dieses Mal erkannte
er Shannon. »Amorannon!«, rief der Hexer, und der eiserne General bemerkte, dass der Ordensmeister ihn zum ersten Mal beim Vornamen nannte. Dann schrie er einen seiner mächtigen Zaubersprüche und eine helle Feuerwolke drang aus seinem Stab und traf Asduvarlun und Tharkarún, doch dem General war klar, dass dieser Zauber seinem Gegner nichts anhaben konnte; dessen Lachen gellte noch in seinen Ohren, als alles vom Licht eingehüllt wurde.
Als Letztes ging ihm durch den Kopf, dass er bis zum Schluss aufrecht stehen geblieben war, selbst als der Schmerz seine Kräfte geraubt hatte, und dass er Tharkarún nicht die Befriedigung gegönnt hatte, zuzusehen, wie er vor ihm in die Knie ging. Dann erschien Adileans lachendes Gesicht vor seinen Augen und er wusste, dass er das Bewusstsein verloren hatte. Erst da ließ er Ligiya los und seinen gequälten Körper zu Boden sinken.
Dhannam Sulpicius erwachte schlagartig, als ihm ein Schauder über den Rücken gefahren war. Er schlief auf dem Boden auf einer Decke, ein Pelz über den Schultern sollte die Kälte abhalten. Das Lager der Ritter der Finsternis lag in absolutem Schweigen versunken. Lisannon Seridien schlief neben ihm, sein Kopf mit den zerzausten Haaren ruhte auf seiner Tasche und der Schlaf schien alle Sorgen aus seinem Gesicht gewischt zu haben. Beim Feuer, das prasselnd in der Mitte des Lagers brannte, hielt Ulf Ghandar zusammen mit Vaskas Rannaril Wache.
Der oberste Kampfmeister saß auf einem Felsblock und schärfte die Klinge seines Schwertes, während der Zwerg vor ihm saß und irgendwelche Geschichten aus seiner bewegten Vergangenheit erzählte, wahrscheinlich wie ihm bei der Explosion das halbe Gesicht fortgerissen worden war. Vaskas schien dem Zwerg aufmerksam zu lauschen. Auch der Kater Rufus zeigte sich interessiert, er war zwischen den schlafenden Rittern herumgestromert, hatte zunächst vergebens versucht, seinen Herrn zu wecken, der auch im Tiefschlaf immer noch seinen Zauberstab fest umklammert
hielt, von dem er sich niemals trennte, und dann war er wieder zu dem Zwerg zurückgekehrt, strich nun um ihn herum und versuchte, von ihm ein paar Streicheleinheiten zu ergattern. Ghandar hatte schon mindestens drei Mal vergebens versucht, ihn zu verscheuchen, aber das Tier wollte einfach nicht aufgeben. Dann beschloss Rufus, ihm eine Pause zu gönnen, und sprang Vaskas auf die Knie, der den Wetzstein beiseitelegte und begann, sein rötliches Fell zu streicheln.
Der Zwerg mit seinen Erzählungen in der Sprache der Menschen sorgte für ein leises eintöniges Murmeln, das Dhannam merkwürdig beruhigend fand, und am Himmel, der sich über die weiten Felder der Faune erstreckte, verblassten schon die ersten Sterne. In wenigen Stunden würde der Tag anbrechen, es gab weit und breit nichts, weswegen er sich Sorgen machen müsste. Und doch fühlte Dhannam, wie die Angst ihm die Kehle zuschnürte.
Vielleicht war es ein Traum, genau, das war es gewesen: Er hatte geträumt und jetzt versuchte er, sich an die Bilder zu erinnern, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten. Ein düsterer, undurchdringlicher Wald kam ihm in den Sinn, das Gefühl von einem heftigen Schmerz, der so schlimm war, dass er davon erwacht
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