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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Kräuterkundige etwas aus eigenem Willen erzählte. Er konnte ihm nur folgen und sehen, wohin es ging. Sehr bald begriff er, dass sie zu dem kleinen Wäldchen neben dem Lager unterwegs waren, in dem sie vor wenigen Tagen Farik gejagt hatten.
    Er hoffte, dass Sirio ihn nicht dort hineinführen wollte, denn er war gar nicht begeistert von der Vorstellung, sich mitten in der Nacht an einen so unheimlichen Ort zu begeben, trotz der beruhigenden Begleitung durch seinen unverhofften Lehrmeister. Doch als sie nach einem längeren Fußmarsch den Rand des Dickichts erreicht hatten, machte Sirio zu Elirions großer Erleichterung keine Anstalten, dort einzudringen. Er blieb stehen und drehte sich um und blickte ihn herausfordernd an. Im Licht des blassen Halbmondes, der schon tief am wolkenlosen Himmel stand, sahen alle Bäume grau aus. Elirion fragte sich wieder, warum sie hier waren. Ihm war kalt, er war müde und immer noch von seinem Albtraum aufgewühlt, dazu hatte er Seitenstechen, weil sie so schnell gegangen waren.

    »Sirio …«, begann er erneut, und wieder unterbrach ihn der Druide mit einem eindeutigen Handzeichen. Aber dieses Mal sprach er.
    »Was für ein Baum ist das?«, fragte er und zeigte auf den Stamm direkt neben ihm, der im Vergleich zum übrigen Gehölz höher gewachsen und breiter war. Die Frage war absurd, und Elirion hätte gerne gewusst, worauf der Druide hinauswollte, doch als er sich den Baum näher ansah, hörte er auf, sich zu wundern. Jetzt ergab alles einen Sinn.
    »Es ist eine Esche«, sagte er leise, und obwohl er mehr zu sich selbst gesprochen hatte, nickte Sirio höflich und ermutigend.
    »Sehr gut«, sagte er und fuhr mit der Hand über die Rinde. »Wirklich sehr gut. Jetzt wirst du dir deine erste Frage selbst beantworten können und mir sagen, was wir hier machen.«
    Es war eine Art Prüfung, und Elirion fühlte sich sofort wohler, er liebte Herausforderungen.
    »Es hat etwas damit zu tun, dass die Esche mein Bruderbaum ist«, entschied er sich, und wieder bestätigten ihm Sirios weise schwarze Augen, dass er richtig vermutet hatte. »Gut, und nun? Soll ich mir etwas von ihm mitnehmen? Ein Blatt, ein Stück Rinde?«
    Sirio behandelte ihn weiter beinahe väterlich. »Ja und nein«, entgegnete er geheimnisvoll. »Ja, du sollst etwas mitnehmen, und nein, nicht irgendetwas. Benutz deinen Verstand. Elirion, ich habe dich aus einem ganz bestimmten Grund hierher gebracht, und zwar jetzt und nicht früher. Vorher hättest du nicht hierherkommen dürfen.«
    Elirion starrte wieder in das bronzefarbene Gesicht des Druiden, betrachtete den Baum, dann sah er erneut zu Sirio hinüber. Und auf einmal traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Erschüttert stand er da, doch in Sirios Augen konnte er lesen, dass er recht hatte, das war der Grund.
    »Nein«, entfuhr es ihm. Er war so durcheinander, dass seine Stimme ihm kaum gehorchte. Vielleicht war es ja doch nur ein
Traum. Wie konnte er, König der Menschen, der Letzte des edlen Hauses Fudrigus, seit Urzeiten Herrscher über das Menschenreich, sich anschicken, so einen Schritt zu wagen, den keiner seiner Vorfahren sich auch nur hätte vorstellen können?
    »Doch«, korrigierte ihn Sirio höflich. »Ein Zauberer braucht einen Stab, Elirion Fudrigus, und du bist ein Zauberer, ob dir das nun gefällt oder nicht. Und für einen Zauberer gibt es nur eine Möglichkeit, seinen Stab zu erhalten: Er muss ihn sich nehmen. Ich möchte, dass du das nun tust, aber ich warne dich: Du kannst dir den Stab von deinem Bruderbaum nur dann nehmen, wenn er ihn dir geben möchte. Überstürze nichts und handle so, wie es dir dein Gewissen eingibt. Du und der Baum, ihr seid Brüder, Elirion, ihr könnt dieselbe Sprache sprechen. Versuche, ihn zu verstehen.«
    Elirion erwiderte nichts auf seine Worte, die mehr ein Rat als ein Befehl gewesen waren. Er ging zwei Schritte auf den Baum zu und ihm war, als vollzöge er damit etwas Edles und Würdevolles, einen heiligen Akt. Vielleicht war er sogar vor wenigen Tagen hier vorübergekommen, als er zusammen mit den anderen Farik suchte, aber er hatte ihn nicht einmal bemerkt. Jetzt fühlte er die Gegenwart des Baumes wie die einer Person. Die Esche schwieg, als wolle sie im nächsten Augenblick etwas sagen, sie stand reglos da, als könne sie sich jeden Moment bewegen und fortgehen. Elirion wünschte sich, dass der Baum, sein Bruderbaum, mit ihm sprach. Er streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, doch diese Bewegung kam ihm bei Weitem

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