THARKARÚN – Krieger der Nacht
und demütig bei Girvan um ihre Hand anhielt, aber dass er als König hierherkam und verlangte, sie solle ihn an seinen Hof begleiten, war ebenso wenig denkbar. Doch er wollte Naime auf keinen Fall verlieren, bloß weil er gezaudert hatte.
»Nie im Leben hätte ich gedacht, dass so etwas hier passieren würde«, bemerkte Herg mit seiner dunklen rauen Stimme und riss damit Elirion aus seinen Überlegungen. Er brauchte einige Sekunden, bis er verstand, dass der Bruder seines Vaters damit nicht Naime meinen konnte, denn aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er von der ganzen Angelegenheit kaum etwas mitbekommen. Da sah er, dass Hergs Augen immer noch auf seinem Stab ruhten, und begriff, worauf er sich bezog.
»Ich auch nicht«, gestand er. »Aber vielleicht ist es das Beste, was mir jemals im Leben zugestoßen ist.«
Herg schien nicht überzeugt. Er hatte sich heute Morgen noch nicht rasiert und dunkle Bartstoppeln bedeckten seine Wangen. »Ich weiß nicht«, entgegnete er. »Vergesst nie, dass Ihr nicht irgendwer seid. Wie werden es wohl Eure Untertanen aufnehmen, wenn sie erfahren, dass ihr König ein Hexer ist?«
Elirion war beleidigt. Das hatte er noch gar nicht bedacht. »Ich bin kein Hexer«, erwiderte er scharf. »Ich bin ein Zauberer. Da besteht schon ein gewisser Unterschied.«
»Vielleicht für Euch und für mich«, meinte Herg, und jetzt, wo Elirion ihm genauer zuhörte, wurde ihm klar, dass er ihn nicht kritisierte, sondern eher enttäuscht klang. »Aber nicht jeder macht so feine Unterschiede. Noch nie hat sich ein König der Menschen für die okkulten Künste interessiert und einen Zauberstab getragen. Ihr wisst doch, wie die Leute sind: Zauberern sollte man nie über den Weg trauen, ganz gleich, wie viel Gutes
sie tun. Darauf solltet Ihr Euch schon mal einstellen, wenn wir das Ganze überleben sollten.«
Elirion schnaubte laut. Er brauchte jetzt nicht noch ein Problem, über das er nachdenken musste. »Ich dachte, wenigstens du wärst glücklich«, meinte er und bereute es gleich, dass er bitterer geklungen hatte, als Herg es verdiente. »Hast du dich denn nicht auch mit der Zauberkunst beschäftigt, als du bei den Rittern der Finsternis warst?«
Er war darauf gefasst, dass Herg es abstreiten würde, doch der versuchte es gar nicht. »Sicher«, antwortete er ganz ruhig. »Aber ich war nie ein Zauberer. Ich verstehe von Magie so viel wie alle Ritter, aber ich hätte zur Kompanie der Krieger stoßen sollen, nicht zu der der Zauberer. Ich verstehe nur sehr wenig von der Kunst, in der Ihr Euch nun versucht, und ich bin mir nicht sicher, ob Ihr das Richtige tut, wenn Ihr Euch damit beschäftigt. Wahrscheinlich schon, denn Meister Sirio kann man vertrauen: Wenn er Euch auf diesen Weg gebracht hat, wird es wohl das Richtige sein. Aber Ihr könnt nicht erwarten, dass Euer Volk nur deshalb seinen König nicht für einen Hexer hält, weil ein Druide, ein Halbblut, der ursprünglich aus einem Volk von Nomaden stammt, das sagt. Noch dazu einer, der mit allem Verlaub ein etwas seltsamer Zeitgenosse ist.«
Herg hatte recht. Das war Elirion klar, noch ehe er zu Ende gesprochen hatte. Und es wäre dumm von ihm, wenn er ihm das nicht zeigte. Plötzlich war er sogar froh, dass Herg ihn darauf hingewiesen hatte. Es war ihm ein großer Trost, dass sein letzter lebender Verwandter auch in dieser schwierigen Situation zu ihm stand. Abgesehen vielleicht von Sirio, gab es niemanden, dem er so vertrauen konnte.
»Danke, dass du mir das gesagt hast«, meinte er leise.
»Nichts zu danken«, entgegnete Herg. »Jetzt macht Euch mal deswegen keine Sorgen, Ihr wisst es jetzt, und das ist genug. Vor Euch liegen ein Krieg und schwierige Zeiten. Denkt lieber an das, was im Moment wichtiger ist. Geht und verabschiedet Euch von Naime, ehe dafür keine Zeit mehr bleibt.«
Jetzt fiel Elirion aus allen Wolken. Völlig verblüfft sah er zu seinem treuen Schatten auf. In dessen Gesicht stand ein amüsierter und komplizenhafter Ausdruck, den er noch nie bei ihm gesehen hatte.
»Das weißt du also auch?«, fragte er ungläubig und sah Herg sogar grinsen. Wenn das jemand Elirion erzählt hätte, hätte er es niemals geglaubt.
»Natürlich weiß ich davon«, entgegnete Herg gelassen. »Ihr solltet eben kein Mädchen direkt vor meinen Augen küssen, während ich dort sitze und meine Strümpfe stopfe, außer Ihr glaubt, ich sei plötzlich blind geworden. Aber da ist ja auch nichts dabei. Jetzt steht nicht länger rum und haltet Maulaffen
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