THARKARÚN – Krieger der Nacht
keinen Ort, an dem er hätte sein wollen
oder sollen. Alles stimmte, alles war an seinem Platz: er, Sirio, der Baum, die Nacht, der Stab. So musste es sein, damit sich endlich die Leere füllte, die er immer wahrgenommen hatte. Jetzt existierte sie nicht mehr. Er spürte auch nicht mehr das Bedürfnis, die ganze Welt herauszufordern, er wusste, wenn er nur fragen würde, würde die Welt ihm antworten. Er schaute wieder zu Sirio und zwischen ihnen waren keine Worte nötig.
»Irgendetwas in mir sagt mir, dass du in Zukunft deinen Bogen nicht mehr so häufig benutzen wirst. Du kannst ihn ja weiter mit der Axt auf der Schulter tragen – wenn es dir nicht zu schwer wird!«, meinte Sirio und lächelte.
Als Elirion am nächsten Morgen die Augen öffnete, war sein erster Gedanke, alles sei nur ein Traum gewesen. Aber er musste sich nur ein wenig unter seiner Decke bewegen, da berührte sein Arm schon die kalte Oberfläche seines Stabes, der neben ihm lag, dunkles, rötlich gemasertes Holz. Genau wie Sirios Stab war er unbearbeitet und doch fand man sonst so etwas nicht natürlich gewachsen. Es war ein Wunder.
Er stand auf und bemerkte, dass er sein Wams gar nicht mehr vor dem Schlafengehen ausgezogen hatte. Ehe er zu Herg und Sirio ging, die neben dem Zelteingang saßen, nahm er seinen Stab in die Hand und ihm war, als hätte er das schon unzählige Male getan. Sirio beobachtete ihn zufrieden. Auch Herg schaute zu ihm herüber, aber Elirion bemerkte eine Art Respekt und so etwas wie Furcht in seinem Blick. Da wurde ihm bewusst, dass er für Herg über Nacht zu einem Fremden geworden war: Der Bruder seines Vaters war daran gewöhnt, einem Prinz und dann einem König zu dienen, aber jetzt stand er auf einmal einem Zauberer gegenüber und vielleicht wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte. Elirion begriff, dass er dies alles bedenken musste. Nichts wäre mehr so wie früher, und es blieb abzuwarten, in welche Richtung sich die Dinge weiterentwickeln würde. Er hatte nicht bemerkt, welch großen Schritt er in der vergangenen Nacht gemacht hatte.
»Setz dich«, forderte ihn Sirio auf. Anscheinend behandelte er ihn wie immer. Elirion war froh, sich neben ihn niederlassen zu können und von ihm eine Schale mit dieser Blut-Milch-Mischung gereicht zu bekommen, an die er sich allmählich gewöhnte. Draußen war es ziemlich laut geworden und er musste sich schon sehr beherrschen, um nicht die Zeltbahn vor dem Eingang zur Seite zu schieben und nachzusehen, was dort geschah. Wie immer schien Sirio seine Gedanken zu lesen, denn er gab ihm einen aufmunternden Klaps auf die Schulter und verkündete: » Wir brechen auf!«
Das hatte Elirion nicht erwartet und fast hätte er sich verschluckt, als ihm klar wurde, was das bedeutete. »Wir brechen auf?«, wiederholte er und kam sich dabei dumm vor. » Wer wir?«
»Fast alle«, sagte Sirio knapp. »Ich, du, Herg und die Shardarikrieger, wir werden zur Großen Mauer in der Ebene marschieren und dort unsere Pflicht erfüllen. Der Magus wird mit seiner Gruppe, die jetzt wieder voll einsatzbereit ist, den Weg nach Norden fortsetzen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass wir es verdammt eilig haben. Wir haben schon zu viel Zeit verloren, mein Junge. Ich rate dir, so schnell wie möglich deine Sachen zu packen. Inzwischen gehe ich noch mal zu Girvan, weil ich mit ihm noch einiges zu besprechen habe.«
Ohne Elirion die Möglichkeit zu fragen zu geben, verließ der Druide pfeifend das Zelt. Elirion nahm einen tiefen Schluck aus seiner Schale. Er hatte sich schon so daran gewöhnt, bei den Shardari zu sein, dass er schon fast aus den Augen verloren hatte, irgendwann wieder in den Krieg ziehen zu müssen. Vor seinem Aufbruch hatte er noch einiges zu erledigen. Er war sich sicher, dass Brennus an vorderster Front an der Großen Mauer mitkämpfen wollte, daher würde er bestimmt noch eine Gelegenheit finden, seinen Streit mit ihm beizulegen. Jetzt wollte er Naime sehen. Er konnte nicht so tun, als wäre in den letzten Tagen nichts passiert, sonst würde Brennus recht behalten, dass er sich doch nur wie ein König verhielt, der einen Tribut von seinen Untertanen verlangt.
Er musste sie suchen, mit ihr reden und ihr versprechen, dass er wiederkehren würde, so wie er es auch vorhatte. Wenn er diesen Krieg überlebte, würde er als Erstes hierher zu Naime eilen. Was er dann genau tun würde, wusste er allerdings noch nicht so recht. Einerseits konnte er sich nicht vorstellen, dass er respektvoll
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