THARKARÚN – Krieger der Nacht
erwarteten.
Verglichen mit den Schwierigkeiten, die ihre Reise seit der
Heiligen Erde begleitet hatten, verliefen diese letzten Meilen durch den Wald hier im Norden ungewöhnlich ruhig. Ihr einziger Feind war jetzt die Kälte. Es hatte sogar aufgehört zu regnen und die Tropfen prasselte nicht mehr durch die Zweige der Tannen auf sie herunter. Die dunklen Flecke zwischen den Bäumen waren hier auch keine Gremlins, die auf sie lauerten, sondern nur Schatten. Und auch sie selbst stellten keine Gefahr mehr füreinander dar. Sie mussten sich nicht mehr vor Ardrachans Anfällen von Wahnsinn fürchten, und die Sorge, dass Shakas Magie die Oberhand gewinnen könnte oder Farik von jemandem besessen war, konnte man jetzt ausschließen. Jetzt mussten sie nur noch eines fürchten: die Zukunft. Und die stand unmittelbar bevor.
Thix’ Finger glitten über die Nadel, die Aldamir aus Nil’ Drasha ihm gegeben hatte und die immer noch auf seiner Weste steckte. Er wusste selbst nicht, warum er sie trug. Doch die Nadel erinnerte ihn daran, dass jemand auf das Ende des Krieges wartete, damit er in sein Heim und zu seiner Familie zurückkehren konnte, zwei Dinge, die er schon lange nicht mehr sein Eigen nannte. Und Thix stellte fest, dass er dem Unbekannten, der ihm Freundschaft und Anteilnahme entgegengebracht hatte, darum beneidete.
Er hatte immer daran geglaubt, das Leben eines Gesetzlosen sei die beste Wahl für ihn, doch nun ertappte er sich bei dem Gedanken, dass er gern alles aufgeben und in seine Geburtsstadt Shir Valdya zurückkehren würde. Er erinnerte sich kaum noch an die Stadt am Meer. Voraussetzung war allerdings, dass sie das alles hier überlebten und die acht Reiche es schafften und er gemeinsam mit ihnen. Sich dorthin zurückzuziehen, wo niemand seine Vergangenheit und die Verbrechen, mit denen er sich befleckt hatte, kannte, einen anderen Namen anzunehmen, sich auszuruhen und zu leben wie jeder andere! Nicht mehr und nicht weniger würde er von Gavrilus fordern, falls er den Undurchdringlichen Hort lebend verließ. Er würde den alten König aus dem ewigen Versprechen entlassen, mit dem er die Zukunft seiner einzigen Tochter für das Wohl seines Volkes geopfert hätte.
Adilean Eletilla könnte dann heiraten, wen sie wollte, und er würde nicht mehr für sich fordern, als seinen Namen ändern zu dürfen, um die eigene Vergangenheit auszulöschen und noch einmal von vorn anfangen zu können. Danach würde er nie wieder fliehen müssen.
Wenn, ja, wenn er das letzte Kapitel dieser Geschichte überlebte.
»Ist es noch weit?«, fragte eine raue Stimme vom Ende des Zuges. Pelcus Vynmar natürlich, wer sonst? Thix war dem Zwerg langsam dankbar für seine Fähigkeit, auch die schlimmste Situation alltäglich erscheinen zu lassen. Der Magus drehte sich um. Verannon saß nicht mehr auf seiner Schulter, und Thix bemerkte, dass er sich wieder einmal eine Weile nicht hatte blicken lassen. Welche Aufgabe er jetzt wohl für seinen Herrn erfüllen musste? Zu wem war der Vogel ausgesandt worden? Vielleicht zu Allan Sirio, seinem verlängerten Arm an der Großen Mauer, oder zu Dan Ree, der von den hohen Wällen Adamantinas herab aufmerksam den Lauf der Welt um seine unerschütterliche Festung verfolgte?
Thix ließ die Hand über den Griff seines neuen Schwertes gleiten und dachte dabei daran, dass es ihm nie in den Sinn gekommen wäre, dass Kentar, der Starke, mit seinem Hammer eine Waffe geschmiedet hatte, damit er, Thix Velinan, sie einmal schwänge.
»Ich sehe nicht, was so seltsam an dieser Frage ist«, erklärte Pelcus inzwischen und stützte seine großen Hände auf seinen Gurt. »Wenn wir alle dem Tod entgegengehen, können wir ebenso gut erfahren, wie viel bis dahin noch fehlt. Sonst bleibt mir vielleicht gar keine Zeit mehr, Reue zu heucheln, auf dass Sirdar mir gnädig sei.«
Seine witzige Bemerkung brachte Farik, Arinth, Morosilvo und Ametista zum Lachen – die beiden Letzteren verstummten allerdings sofort wieder, als sie merkten, dass sie gemeinsam lachten.
Doch das konnte den tiefen Ernst des Magus nicht erschüttern. Seine Antwort war knapp wie so oft: »Nicht viel«, sagte er schlicht. »Ich könnte auch sagen, nichts. Nur noch ein Dutzend Schritte.«
Diese Nachricht schlug ein wie eine der Sprengladungen, die Arinth an seinem Schulterriemen trug, und der Gnom wiederholte dann auch ziemlich fassungslos: »Ein Dutzend Schritte?«
Das war noch unglaublicher als der Moment, in dem die gewaltige Silhouette
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