THARKARÚN – Krieger der Nacht
gelten, das hatte ihm Lay Shannon gewünscht, als er ihm die Waffe übergab. Aber vielleicht konnte man den Namen noch anders deuten: Es war das Schwert, das er im Augenblick des Unglücks führen, das ihn in der Notlage verteidigen würde. Es hatte ihn sich nicht als Besitzer erwählt, genauso wenig wie die Axt, die Elirion beharrlich weiter bei sich trug, wirklich Alfargus’ Axt gewesen war. Doch hatte Alfargus mit dieser Axt denn nicht legendäre Heldentaten begangen, obwohl er nicht ihr wahrer Besitzer war? Und bestimmt würde auch die Waffe, die Dhannam jetzt trug, ihn nicht daran hindern, ihm nachzueifern.
»Das glaube ich auch«, stimmte er zu und sah Elirion direkt ins Gesicht. Er schwor sich, alles dafür zu tun, um mit einer Überzeugung in diese Schlacht zu gehen, wie er sie nie zuvor besessen hatte.
Elirion sah Naime am Abend wieder. Die Nachtwachen hatten noch nichts Auffälliges gemeldet, vielleicht litten die Gremlins noch unter den Folgen ihres überfallartigen Vorstoßes in den Wald. Naime stand allein vor der Waffenkammer und betrachtete die Schwerter an den Wänden. Jetzt trug sie Kniebundhosen, einen breiten Gürtel und einen mit Quasten geschmückten Kittel aus violettem Stoff. Zum ersten Mal sah Elirion sie nicht in einem ihrer weiten, mit Bändern besetzten Röcke. Nur das rote Band in ihrem langen Zopf war geblieben, doch auch die männlich
wirkende Kleidung stand ihr ausgezeichnet. Wieder fiel Elirion auf, wie schön sie war und welche Kraft sie trotz ihres zierlichen Körpers ausstrahlte.
Er räusperte sich, um sie über seine Anwesenheit zu informieren, daraufhin drehte sie sich langsam um und strahlte ihn an. »Ich wusste, dass du es bist«, verkündete sie und warf lebhaft den Kopf zurück.
»Reiner Zufall.« Elirion zuckte mit den Schultern und kam zu ihr. »Also die Waffenkammer ist wirklich der letzte Ort, an dem ich dich vermutet hätte. Es sieht so aus, als würde es zumindest heute Nacht keinen Kampf geben. Der ehrwürdige Shannon meinte, vor drei Tagen wird sich in dieser Hinsicht nichts tun, und ich neige dazu, auf seine Meinung zu vertrauen.«
»Umso besser«, erklärte sie und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Sie seufzte erschöpft, was Elirion überraschte. Er hätte nie erwartet, Naime einmal müde oder mutlos zu sehen, da sie doch so viel Seelenstärke und Lebensmut besaß. Und dennoch sah man ihrem schönen olivenfarbenen Gesicht deutlich an, dass sie etwas belastete. Elirion hätte sie am liebsten an sich gezogen, aber er wusste, dass sie ihm das niemals gestattet hätte – sie war mindestens ebenso stolz wie ihr Bruder.
Das war wirklich der letzte Ort, an dem er sich je hätte vorstellen können, einer Frau seine innersten Gefühle zu offenbaren: in einer Waffenkammer, hier im letzten Bollwerk der acht Völker, während sich draußen das Netz ihrer Feinde immer enger um sie zog und er nicht einmal wusste, wer er war und was er wollte. Nur eines wusste er genau: Er wünschte sich, in Naimes Nähe sein, und die Zeit für höfliches Geplänkel war jetzt ein für alle Mal vorbei.
Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte er bestimmt nicht so überstürzt gehandelt, doch jetzt standen sie nur einen Schritt vor dem Untergang der Welt, und jede weitere Sekunde war ein Geschenk.
»Naime«, rief er halblaut. Die Stille im Raum war so übermächtig,
dass es ihm vorkam, als hätte er geschrien, und als Naime sich umdrehte und wiederum furchtlos seinem Blick begegnete, durchzog Elirions Kopf der abwegige Gedanke, sie könnte vielleicht gerade dasselbe gedacht haben. Doch es war an ihm zu sprechen. »Vielleicht würde dein Bruder mir den Kopf abschlagen, wenn er auch nur ahnte, was ich dir jetzt sagen will«, begann er. Er war sehr ernst und beinahe beleidigt, als er sah, wie Naime sich die Hand vor den Mund legte, um ein Lächeln zu verbergen. In ihren Augen blitzte Belustigung auf.
»Ja, ich fürchte schon«, stimmte Naime zu und lachte wieder.
Allein deshalb lohnte es sich weiterzusprechen, dachte Elirion. Keine andere Frau hätte in diesem Augenblick eine derartige Bemerkung gemacht. Und sein Entschluss festigte sich immer mehr: Er wusste, es war genau der richtige Zeitpunkt zum Handeln, bevor die Schlacht sie beide mit sich fortreißen würde. »Ich habe keineswegs die Absicht, mich nur wegen seiner Drohungen zurückzuziehen«, erklärte er und hoffte, dabei nicht zu arrogant zu wirken.
Er sah, wie Naime gleichsam herausfordernd die Arme vor der Brust
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