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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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den Himmel. Er war fensterlos, es gab nicht einmal eine Schießscharte. Die Festung war nicht erbaut worden, damit hier jemand leben konnte, wohl eher, um darin zu sterben. Vor ihnen erhob sich das große verschlossene Haupttor, und Thix fragte sich, warum es der Baumeister überhaupt entworfen hatte, wenn doch niemand die Festung je betreten sollte.Vielleicht, um sich selbst eine – vollkommen aussichtslose – Möglichkeit zur Flucht zu lassen? Oder um den, der sein Genie auf die Probe stellen wollte, herauszufordern?
    Zu beiden Seiten des Tors befanden sich die einzigen schmückenden Elemente der Festung: zwei große Statuen aus dem gleichen dunklen Stein, die dort aufgestellt waren wie Wachen. Sie hatten muschelweiße pupillenlose Augen und stellten einen Mann und eine Frau dar. Welchem Volk sie entstammten, ließ sich nicht erkennen. Auf Thix wirkten sie mindestens genauso bedrohlich wie alles Übrige, vielleicht sogar noch bedrohlicher.
Als er endlich die Kraft fand, den Blick von den beiden abzuwenden, und sich umdrehte, sah er, dass die anderen ebenfalls stehen geblieben waren und mit dem gleichen verlorenen Gesichtsausdruck wie er auf das schreckliche Bild starrten. Der Magus, der hinter ihnen ging, hatte endlich den Wald verlassen und wirkte jetzt so furchtbar gealtert wie nie zuvor. Er stützte sich schwer auf seine verzierte Lanze, doch diesmal nicht, weil ihm die Kraft fehlte, denn in seinen Augen brannte noch das alte Feuer.
    »Kommt her«, rief er, aber nicht mit dröhnender Stimme wie sonst, sondern tief und grollend, dass es sich in der Stille wie der Vorbote eines näher kommenden Gewitters anhörte. Alle sammelten sich um ihn, keiner erhob Einwände oder stellte Fragen.
    In ihrem Tun lag etwas Feierliches, als führten sie seit Langem vorbestimmte Rituale aus, und vielleicht war das ja auch der Fall. Schließlich hatten die Götter ihre Waffen im Dunkel der Zeiten geschmiedet und hatten vielleicht schon damals das Ende dieser Geschichte vorausgesehen.
    »Bevor wir weitergehen, muss ich euch einiges erklären«, sagte der Magus. »Von jetzt an werde ich euch nicht mehr helfen können, ihr müsst alles selbst tun, selbst verstehen und selbst entscheiden. Es ist eure Mission, so hat es die Prophetin vorausgesagt. Ich weiß, dass ihr gegen euren Willen bis hierher gekommen seid, aber ich weiß auch, dass ihr jetzt genau wisst, worum es geht. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Genau in diesem Augenblick bricht über der Großen Mauer die Nacht herein und Tharkarún weiß sehr gut, dass wir hier sind. Inzwischen haben es ihm die Gremlins angekündigt; ich kann selbst auf große Entfernung ihre gespannte Energie spüren. Zum ersten Mal seit seinem Angriff muss er etwas fürchten, und er wird versuchen, uns zuvorzukommen. Warum ist er dann nicht hier? Weil er nicht glaubt, dass es euch gelingen könnte, sämtliche Schutzzauber zu brechen und tatsächlich in den Hauptsaal zu gelangen. Das ist Tharkarúns erster Fehler: Er empfindet den Undurchdringlichen Hort so sehr als sein Eigentum und ist so von der Macht des Steins durchsetzt,
dass er nicht mehr fähig ist, sich tatsächlich vorzustellen, jemand könnte ihn zerstören. Er ist selbstherrlich und spielt gern Katz und Maus. Er glaubt, er könne die Völker vernichten, bevor ihr den Stein erreicht, und ist überzeugt, dass er rechtzeitig hier sein wird, um euch zu zerquetschen. Das ist vielleicht sein zweiter Fehler. Aber alles hängt von euch ab. Jeden Augenblick können die Schalen der Waage nach der einen oder anderen Seite ausschlagen. Was auch immer ihr tut, es gibt kein Zurück. Doch ihr sollt eins wissen: Es ist möglich, in den Undurchdringlichen Hort einzudringen. Es war anmaßend von den Völkern zu glauben, sie könnten einen Felsblock hervorbringen, den niemand zerstören kann. Diese Festung zu bauen und den Stein zu erschaffen, war eine Lösung, aber keineswegs die richtige. Erinnert euch, was daraus entstanden ist. Man hätte sie niemals in Betracht ziehen dürfen und ihr muss endlich ein Ende gemacht werden. Doch ihr habt Glück. Genauso absurd wie die Tatsache, dass unser Feind gerade aus unserem Wunsch nach Frieden entstanden ist, ist es, dass euch Tharkarún eure Aufgabe geradezu erleichtert. Größte Macht ist nicht gleichbedeutend mit größter Weisheit. Auf seinem Weg aus der Festung hat er nicht bemerkt, dass er dabei die meisten der zweihundert Schutzzauber gebrochen hat, die unbedeutenderen auf den Fluren, die wem auch immer den

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