THARKARÚN – Krieger der Nacht
jetzt die Explosionen berstender Gremlins zu hören, und auch die Toten sanken leblos zu Boden, jetzt, da keine Hand sie mehr führte. Tharkarún, wo auch immer er jetzt sein mochte, schien die vernichtende Niederlage geahnt zu haben. Er hatte eingesehen, dass er mit der Kraft der Toten nicht siegen konnte, und hatte sich zurückgezogen. Der Hass auf die acht Völker war so tief in ihm verankert, dass er in seiner Verblendung auf die falsche Strategie gesetzt hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass jemand ins Innerste des Hortes eindringen und den Stein zerstören könnte, deshalb hatte er nichts gegen die Mission der acht unternommen. Oder hatten ihn Hass und Wut so blind gemacht? Mit dem Kampf an der Großen Mauer in der Ebene wollte er der Völkergemeinschaft zeigen, dass er unbesiegbar war. Dort hatte er Amorannon Asduvarlun getötet, den Kommandanten des vereinten Heeres, den heldenhaften Elbengeneral.
Schließlich hatten sie doch noch lange genug durchhalten können, dachte Dhannam. Sie hatten ihre persönliche Schlacht gewonnen. Sie hatten einen hohen Preis dafür bezahlt, doch die acht Reiche waren gerettet. Wie war es den acht wohl gelungen, den mächtigsten Zauber aller Zeiten zu durchbrechen? Aber eigentlich war das gar nicht so wichtig. Selbst die Tatsache, dass
Tharkarún verschwunden und nicht mit seinen Kämpfern gestorben war, interessierte Dhannam in diesem Moment nicht.
Vaskas Rannaril trat an seine Seite und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Entgegen aller Erwartungen hatte er eine weitere Schlacht lebend überstanden. Er konnte neue Kerben in den Griff seines Krummsäbels ritzen, ihm blieben neue Erinnerungen an glorreiche Taten, wieder hatte der oberste Kampfmeister des Tempels der Finsternis überlebt, während so viele seiner Kameraden gefallen waren. Mit einer langsamen, nachdenklichen Geste steckte er den Säbel in die Scheide und im gleichen Moment hörte Cailín in Dhannams Hand auf zu leuchten.
Dhannam schaute fragend zu Vaskas hinüber, doch auch der hatte keine Antworten für ihn, nicht einmal für sich selbst.
»Sie gehen alle zur Großen Mauer zurück, Prinz Dhannam«, sagte er nur und drehte sich zu dem Bollwerk in der Ebene um, wo die Bogenschützen inzwischen zu schießen aufgehört hatten.
Lisannon Seridien hatte, nachdem er das unglaubliche Schauspiel unter sich gesehen hatte, Ulf Ghandar die Arme um den Hals geschlungen und den raubeinigen Oberst der Steinwache herzlich umarmt. Auch der Zwerg war vollkommen überrascht und überglücklich über die unerwartete Rettung und versuchte gar nicht erst, den Elben abzuschütteln.
Und das war gut so. Es war richtig, dass alle sich in diesem Moment das Recht erlaubten, glücklich zu sein. Genau in dem Moment, als sie glaubten, für immer verloren zu sein, hatte ihnen dasselbe grausame Schicksal, das ihnen vorher so übel mitgespielt hatte, das Leben zurückgegeben.
»Kommt«, sagte Vaskas. »Lasst uns auch gehen.«
ACHTUNDSECHZIG
A LS ERSTES BEMERKTE Thix Velinan, wenn auch leicht benebelt, dass die Wunde, die er sich selbst zugefügt hatte, indem er sich das Schwert in die Brust gerammt hatte, nicht mehr wehtat. Natürlich, dachte er sofort, wie denn auch? Tote haben keinen Körper, deshalb können sie auch keine Schmerzen empfinden.
Na ja, eigentlich tat ihm schon etwas weh, aber dieser Schmerz war anders als sonst. Er spürte ihn in all seinen Gliedern – wenn er denn noch so etwas hatte –, als ob anstelle des herausgeströmten Blutes nun flüssiges Blei durch seine Adern floss. Waren das etwa die Qualen, die ihn im Jenseits auf ewig für alle seine Schandtaten erwarteten? Er hatte Derartiges noch nie in seinem Leben empfunden. Um ihn herum war alles dunkel, und das störte ihn sehr, bis er bemerkte, dass er nur nichts sah, weil er die Augen geschlossen hielt. Er glaubte ja eigentlich nicht, dass auch Tote schlafen könnten, aber anscheinend war ihm diese Körperfunktion ebenfalls erhalten geblieben.
Als er die Augen öffnete, sah er als Erstes seine Hände.
Aber waren das wirklich noch seine Hände? So hatte er sie nicht in Erinnerung. Darauf waren doch noch nie schwarze Zeichen gewesen: ein Netz ineinander verschlungener Linien, eine Art Tätowierung, die nun über den Handrücken, die Innenfläche und an den Fingern entlanglief. Wo hatte er diese Zeichen schon einmal gesehen? Sein Verstand holte mühsam eine andere
Erinnerung ans Licht. Ach ja, auf der Haut von Shaka Alek, dem Dämon. Was hatte der noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher