THARKARÚN – Krieger der Nacht
gesagt? Es seien keine Tätowierungen, sondern Narben, das Zeichen des Bösen, das er sich von der Magie hatte aufdrücken lassen, um dafür Macht und Wissen zu erhalten. Konnte er, Thix, nun die gleichen Zeichen haben?
Er stemmte sich hoch, und als er sich auf die Ellenbogen stützte, bemerkte er, dass unter ihm ein glatter, kalter Fußboden war und dass der Schmerz in seinem Körper zunahm, wenn er sich bewegte. Irgendwie schaffte er es, sich vollständig aufzusetzen, und nun untersuchte er sich eingehender. Er trug immer noch sein altes Wams, und das überzeugte ihn endgültig davon, dass er entgegen aller vernünftigen Vermutungen nicht gestorben war. Tote tragen keine Kleidung.
Etwas Merkwürdiges und Schlimmes war mit ihm passiert, davon zeugten die merkwürdigen Zeichen auf seiner Haut und dieser brennende Schmerz, der ihm durch und durch ging, aber er war nicht am Sockel des Weißen Steins verblutet, wie man vermutet hätte.
Thix Velinan schaute sich um und sah, dass um ihn herum alles in Trümmern lag. Der frühere achteckige Sockel hatte sich in zahllosen Stücken aller Größen über den ehemaligen Hauptsaal des Undurchdringlichen Horts verteilt, dessen Wände und Decke eingestürzt waren. Schwarze Gesteinshaufen türmten sich überall auf und über ihm wölbte sich der fahle Morgenhimmel. In einer Ecke lag der Kopf des Wasserspeiers, der auf dem Bogen gesessen hatte, und starrte ihn grinsend an. Vom Weißen Stein war nichts geblieben, aber dafür konnte er seine Gefährten ausmachen, die noch in unterschiedlichen Haltungen durcheinander auf dem Boden lagen. Ihre Waffen hatten sich um sie im ganzen Raum verteilt, überall auf dem Boden sah man getrocknetes Blut. Er suchte nach seinem Schwert und hob es auf, an der Klinge klebte ebenfalls Blut. Sein Blut.
Sie alle hatten das Ende durchlitten und waren auf die andere
Seite gewechselt, aber auch hier gab es Leben, und vielleicht war ihre Aufgabe ja auch noch gar nicht beendet. Thix tastete seinen Körper ab und zuckte zurück, als seine Finger, die sich vorher in den Stoff seines Wamses gekrallt hatten, auf etwas Metallisches stießen, das sich brennend heiß anfühlte. Verwirrt sah er an sich herunter: Er hatte die weißgoldene Brosche berührt, die ihm Aldamir aus Nil’ Drasha geschenkt hatte. Warum glühte sie nur so? Mit dem Ärmel wischte er das Blut von der Klinge seines Schwertes und benutzte sie als Spiegel. Aus ungläubigen grünen Augen starrte ihn das gewohnte Gesicht von Thix Velinan an, nur etwas verzerrt von der Krümmung der Klinge. Staub war in seinen Haaren wie auf seinem ganzen Körper, und nun sah er, dass sich auch über seine Wangen und seinen Hals ein feines Netz aus Linien zog. Als er vorsichtig die Hosenbeine hochschob, fand er an den Fußknöcheln die gleichen Spuren. Sie waren überall, wie bei Shaka, vielleicht hatte er sogar noch mehr als der Dämon.
Thix versuchte aufzustehen und war ganz verwundert, als es ihm tatsächlich gelang. Er hatte Schmerzen, aber er war nicht erschöpft, ganz im Gegenteil, er spürte sogar eine neue Kraft in sich, war von dem seltsamen Gefühl erfüllt, dass ihm alles gelingen würde, wenn er es nur versuchte. Thix wandte sich um und sah, dass er nicht der Einzige auf den Beinen war. Hinter ihm stand der Magus.
Wie eine unwirkliche Erscheinung erhob er sich groß und beeindruckend, und auf die verzierte Lanze gestützt, wirkte er noch feierlicher als sonst. Thix ging einen Schritt auf ihn zu. Er hätte ihm gern zahllose Fragen gestellt, aber er ahnte, dass das nicht nötig war, weil der Magus sie bereits alle kannte. Er schaute wieder zu seinen Gefährten und sah, dass sich einige von ihnen bewegten : Morosilvo, Pelcus, Arinth. Soweit man sehen konnte, trugen alle dieselben Zeichen auf der Haut. Keiner von ihnen war gestorben. Eigentlich unmöglich, aber es war so. Und der eindringliche und wissende Blick des Magus bestätigte ihm, dass er nicht träumte.
Er sagte nichts. Wartete, bis alle aufgestanden waren und wie er begriffen hatten, dass sie sich nicht etwa in Sirdars Hallen, sondern in den Ruinen des Hauptsaals im Undurchdringlichen Hort befanden. Bis sie alle mit zitternden Händen ihre Waffen aufgesammelt hatten, mit denen sie sich dem Tod überantworten wollten, der sie jedoch nicht hatte haben wollen. Bis sie sich mit ihm um die hohe, schweigende Gestalt des Magus versammelten. Allen stand dieselbe Frage ins Gesicht geschrieben, während über ihnen allmählich der Tag graute. Sie
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