THARKARÚN – Krieger der Nacht
Zeit leise in der rauen Sprache der Zwerge unterhalten. Der schlaflos in seinem Zelt liegende Morosilvo hatte ihrem Gemurmel gelauscht und ab und zu ein einzelnes Wort aufgeschnappt, doch natürlich reichte das nicht aus, um der Unterhaltung folgen zu können. Er glaubte jedoch verstanden zu haben, dass die beiden alten Bekannten über die Ereignisse des Tages redeten, auch über seine Auseinandersetzung mit Shaka Alek.
Ardrachan hatte man nicht zum Wachdienst eingeteilt, weil er selbst bewacht werden musste. Es war nicht daran zu denken, ihm in seinem derzeitigen Zustand die magische Kette abzunehmen. Der Feenkrieger war immer noch besessen. Nachdem er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, hatte er seinen Weggefährten wieder mit diesem unartikulierten, tierischen Schrei gedroht und unter heftigen Verrenkungen versucht, sich zu befreien. Glücklicherweise war die Kette trotz ihres geringen Gewichts widerstandfähiger als erwartet und auch die Knoten von Pelcus Vynmar hielten. Morosilvo war überzeugt, dass Ardrachan unter ihnen sofort großen Schaden anrichten würde, wenn man ihn losbinden würde, und dafür brauchte er ganz sicher nicht einmal eine Waffe. Die Reise fing gut an! Sie brauchten nicht erst von Feinden angegriffen zu werden, um ihre Gruppe zu dezimieren.
Obwohl sie nicht viele Worte wechselten, hatte Morosilvo das Gefühl, dass Ametista genauso dachte wie er. Trotz ihrer offenen und verborgenen Talente, um bei den Worten des Magus zu bleiben, schien auch ihr klar zu sein, dass ihr Leben in der Gruppe ständig bedroht war. Es war, als bestünde man darauf, ein Lager für Zwergensprengstoff am Fuß eines erdrutschgefährdeten Berges aus Feuerstein zu errichten … Es war keine Frage, ob es in die Luft fliegen würde, sondern nur, wann.
Morosilvo gab sich keinen Illusionen hin. Er selbst war schon überrascht, dass sie es drei Tage miteinander ausgehalten hatten und dass alle noch am Leben waren. Nicht einmal über Ametista
machte er sich etwas vor: Die Faunin war trotz ihrer freundlichen Art genauso hinterhältig wie alle anderen. Allerdings ertappte er sich manchmal dabei, dass seine Wachsamkeit ihr gegenüber nachließ. Sie war einfach zu anziehend und er konnte in ihrer Nähe nicht kühl und distanziert bleiben. Wenn sie ihn ansah, schossen ihm sofort merkwürdige Gedanken durch den Kopf: »Wie könnte dieses bezaubernde Geschöpf mir wehtun?« Oder auch: »Wären diese süßen Lippen zu einer Lüge fähig?«
Morosilvo war klar, dass diese Gedanken gefährlich waren, aber er war machtlos dagegen.
Ametista zog aus dem dunklen Lederbeutel zu ihren Füßen ihre Pfeife heraus, stopfte sie und zündete sie an. Es war eine typische Faunenpfeife, weiß und schmal, mit einem langen Rohrstück und einem mit Blüten- und Blättermotiven verzierten Kopf. Die Kräutertabakmischung, die sie rauchte, verströmte einen ungewöhnlichen Geruch, beißend und süßlich zugleich. Auch Morosilvo hätte jetzt gern geraucht, aber er hatte seine Pfeife absichtlich in seiner Reisetasche im Zelt gelassen. Beim Rauchen entspannte er sich, und dann konnte ihn ein feindliches Wesen, das im Dunkel der Nacht durch die Büsche streifte, womöglich völlig unvorbereitet erwischen. Ganz zu schweigen davon, dass ein gemeinsames Pfeifchen zwischen Ametista und ihm eine noch vertraulichere Atmosphäre schaffen würde.
Ametistas große violette Augen schillerten unter ihren halb geschlossenen Lidern. Wenn sie den Rauch aus ihren Mundwinkeln in bläulichen Spiralen aufsteigen ließ, kam ihre Schönheit besonders gut zur Geltung: die hohen ausgeprägten Wangenknochen, ihr üppiger Mund, die schönen Augen, die durch die langen gebogenen Wimpern noch größer wirkten. Erst nach einer Weile bemerkte Morosilvo, dass sein Blick, der eigentlich wachsam die Umgebung ihres Lagers beobachten sollte, sich zwischen den Falten ihres weißen Gewandes verirrte und an ihrer glatten dunklen Haut emporwanderte. Er setzte sich schleunigst auf und hoffte, dass sie nichts davon mitbekommen hatte.
»Die Schwarzen Hexer haben viele Geheimnisse«, sagte Ametista auf einmal. Falls sie Morosilvos Blick bemerkt hatte, verbarg sie das geschickt. »Shakas Stab ist, glaube ich, aus Eibenholz. Ich verstehe zwar nicht viel davon, aber dieses Holz hat vermutlich etwas mit der Magie der Hexer zu tun. Möglicherweise mit schwarzer Magie …«
Morosilvo zuckte mit den Schultern, froh darüber, dass ihr Gespräch eine unverfängliche Richtung nahm. »Keine
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