Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
irgendwie verpflichtet, dieses Angebot zu machen – und bestimmt würde der Drache es sowieso ablehnen.
„Das würdest du tun? Das wäre sehr großherzig und mutig. Aber du bist unser Gast, das kann ich nicht annehmen, denn das hieße, das Gastrecht mit Füßen zu treten.“
„Aber vielleicht ist ein Unglück geschehen, und sie warten auf Hilfe“, langsam erwärmte Floritzl sich für die Idee. War er nicht ein echter Held (13) ?
„Möglicherweise ist tatsächlich schnelles Handeln gefragt und ... Ich fürchte, ich bin gezwungen, jeden Anstand außer Acht zu lassen und hintan zu stellen und dein großzügiges Angebot anzunehmen, obwohl mir dabei nicht recht wohl ist.“
„Na, dann flieg ich am Besten gleich los. Wo ist es denn am Günstigsten, lass mal sehen.“
Floritzl ging unter den aufmerksamen Blicken aller die Kante der Bergterrasse ab, suchte sich den Weg, der am schnellsten nach unten führte – ohne große Umflüge um Baumwipfel und Bergvorsprünge und ohne zu anspruchsvollen Auf-, Ab- und Seitenwinden zu begegnen – und er genoss die respektvollen und dankbaren Blicke der Moosleute. Ach ja, er war schon ein toller Kerl.
Gerade wollte er sich in die Luft erheben, als Lumiggl sich nach vorne drängte: „Floritzl, warte!“
„Was gibt es denn noch?“
Lumiggl trat ganz nahe an seinen Freund.
„Floritzl, du brauchst das nicht zu machen“, sagte er so leise, dass ihn keiner hören konnte. Das ist viel zu gefährlich. Wir werden einen anderen Weg finden. Wenn da unten was passiert ist, ist es schon geschehen. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.“
„Danke, Lumiggl, aber ich kann das, glaub mir“, der Elf war ganz gerührt. Lumiggl machte sich ja wirklich Sorgen um ihn. Aber jetzt konnte er doch unmöglich klein beigeben.
„Du musst jetzt nicht den mutigen Elf spielen. Keiner nimmt dir übel, wenn du einen Rückzieher machst.“
Floritzls Rührung wandelte sich zu einer leichten Verärgerung, dass ihm der Wombling den Flug offenbar nicht zutraute.
„Doch, zumindest einer“, behauptete er deshalb kühl. „Überhaupt ist das eine Kleinigkeit. Und jetzt flieg ich mal los.“
Lumiggl zögerte, dann zuckte er die Achseln.
„Viel Glück, Floritzl, und überschätz dich nicht.“
Ehe der Elf sich versah, umarmte ihn sein Freund. Ach, er machte sich also doch nur Sorgen, weil er ihn eben mochte! Floritzls Ärger schmolz dahin. Außerdem, so unrecht hatte der Wombling ja auch wieder nicht. Und so kam es, dass der Elf ihm ins Ohr flüsterte: „Ich hab die Hosen voll. Und wehe, du erzählst das irgendwem weiter. Bis bald!“
Damit riss er sich los und flatterte elegant über die Kante hinab in Richtung Dorf.
Kaum war er den Blicken der Zuschauer entzogen, gab er den so eleganten wie kraftraubenden Flatterflug auf und verlegte sich darauf, mehr schlecht als recht von einem Rastplatz – meistens das Geäst eines Baumes – zum nächsten zu gelangen. Das ging eine Zeitlang ganz gut, und Floritzl klopfte sich schon innerlich auf die Schulter: Da sieht man es einmal wieder, man wächst an seiner Aufgabe! Wer hätte das von mir gedacht außer mir; und ich auch nicht so recht. Bis er zu einer tiefen Klamm kam, von der ihm natürlich keiner was gesagt hatte. Wie sollte man da unbeschadet drüber kommen? Floritzl landete am Rand und blickte hinunter. Es war tief, verdammt tief. Kalt blies ihn der Wind aus der verschatteten Schlucht an, und ihn fröstelte. Aber dann nahm er Schwung und flog los, immer nur geradeaus. Bald schmerzten seine Flügel, aber wenn er jetzt nachgab, stürzte er unweigerlich nach unten. Und kein Ruheplatz in Sicht, kein hoher Baum, kein herausragender Ast. Nahm das denn nie ein Ende? Jetzt bloß keinen Krampf kriegen! Niemals zuvor fühlte er sich so allein, nein, niemals zuvor so einsam.
Endlich war die rettende andere Seite in Reichweite. Floritzl mobilisierte noch einmal alle Kräfte. Der Elf peilte schon einen Ast an, um sich darauf auszuruhen, als ihn ein Windstoß packte, ein Wirbel aus kaltem Schluchtatem und weißem Sonnenlicht, der ihn hin und schleuderte. Um seine Flügel nicht zerrupfen zu lassen, legte Floritzl sie eng an seinen Rücken, kugelte sich ein und entdeckte zu seiner Rettung das Gesetz, dass es manchmal besser ist nichts zu machen und alles einfach geschehen zu lassen.
Alles ging viel zu schnell, um genau sagen zu können, was im einzelnen passierte, aber irgendwann verlor der Wirbel wohl den Spaß an ihm und als Floritzl wieder die Augen
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