Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
aufschlug, sah er einen Baum genau vor sich, auf den er sich mit ein paar Flügelschlägen rettete.
Dort saß er wie ein Häufchen Elend, bibbernd und leise vor sich hin wimmernd, ganz ausgezehrt und in Tränen aufgelöst. So verging einige Zeit. Schließlich atmete er wieder ruhiger und auch das Zittern ließ schließlich nach. Floritzl schnäuzte sich in ein Blatt seines Baumes, seufzte noch einmal und atmete dann energisch tief durch.
„Ich glaub, heute hab ich für die nächsten zwanzig Jahre genug erlebt“, sprach er mit sich selber. „Das ist ja lebensgefährlich. Und alles nur, weil ich meine große Klappe nicht halten konnte. Aber andererseits war's gar nicht so schlecht. Mir ist zwar immer noch übel, aber ich habe es gewagt, habe Sturm und Felsen getrotzt, und das soll mir erst mal einer nachmachen. Und das beste ist, ich hab es für einen guten Zweck getan, ich habe mich beinahe geopfert, um den Leuten im Dorf zu Hilfe zu eilen. Überhaupt, wo ist dieses verflixte Dorf jetzt?“
Suchend sah er sich um, konnte von seinem jetzigen Platz aus aber nichts erkennen. Also prüfte er erst den einen dann den anderen Flügel und als beide unbeschädigt schienen, flatterte er bis zur Spitze des Baumes, auf den er sich gerettet hatte, um den Überblick zu gewinnen. Und tatsächlich, da war ja das Dorf, beinahe wie bestellt.
„Sieht doch alles ganz normal aus, ein stinknormales Dorf an einem stinknormalen Tag“, Floritzl besah sich kopfschüttelnd die freidlich daliegenden Zwergenhütten. „Und ich riskiere meinen Hals, bloß weil diese Dörfler einen draufmachen, eine Runde nach der anderen schmeißen und also zu besoffen oder zu faul sind, um dem Drachenruf zu antworten. Denen werde ich den Marsch blasen. Die werden sehen, wie ein Elf ist, wenn er sauer ist.“
Den Rest des Weges würde er aber lieber zu Fuß zurücklegen, sich anschleichen und dann diesen Dörflern mal seine Meinung sagen.
Und vielleicht hatten sie ja auch ein Gläschen Milch für ihn, denn er hatte mächtigen Durst. Und eine gute Erklärung hatten sie hoffentlich auch. Also gut, drei Sachen und er würde sich besänftigen lassen, ein Glas Milch, eine gute Erklärung und grenzenlose Bewunderung für seine Flugleistung.
Aber wo steckten sie? Nichts war zu sehen, schlimmer noch, nichts war zu hören, und in einem Dorf war sonst immer was zu hören. Aber hier war alles still, die Vögel waren verstummt, die Mäuse versteckt und alles andere Viehzeug hatte das Weite gesucht.
Nun wurde Floritzl noch argwöhnischer, schlich sich noch vorsichtiger an, sicherte nach hinten, oben und ringsum, während er sich immer mehr der Stelle näherte, wo der Rauch aufstieg. Er bog um eine Ecke, und traf auf den Hauptplatz des Dorfes, einen freien, runden Platz mit einem Brunnen, um den sich einige Häuser scharten. Ganz typisch für Zwergendörfer, die Nachbarn der Moosleute waren also Zwerge, das hatte ihm auch keiner vorher gesagt. Bei einem von den Häusern hatte wohl das Dach gebrannt, war dann eingebrochen und die Überreste glosten jetzt noch vor sich hin. Niemand hatte den Brand zu löschen versucht, und keine Neugierigen standen herum, um die letzten Glutreste zu begaffen. Nichts, niemand.
„Hallo, ist hier irgend jemand?“ Floritzl rief die Frage in die Runde, machte sich aber bereit, bei einer Antwort gleich abzuhauen. Denn es war eigentlich nicht zu erwarten, dass irgendein Dorfbewohner mit einem fröhlichen „Aber ja!“ antworten würde. Wenn hier noch jemand antworten konnte, dann nur derjenige, der die Zwerge hatte verstummen lassen.
Aber es kam keine Antwort zurück. Floritzl schaute sich um, schlich in die nächstbeste Hütte und fand auf dem Tisch einen angeschnittenen Laib Brot und einen Krug daneben. Er überlegte nicht lange und langte zu und stillte seinen Durst. Der Krug enthielt Buttermilch, die noch recht frisch und kühl schmeckte. Lange konnten die Dorfbewohner noch nicht weg sein.
Auch in den anderen Hütten, die der Elf eine nach der anderen untersuchte, konnte er niemanden finden: keinen Zwerg oder sonst wen oder was. Eins allerdings wurde ihm immer klarer: wie und warum auch immer die Zwerge verschwunden waren, es musste alles sehr überstürzt geschehen sein: Begonnene Arbeiten hatte man einfach mittendrin liegen gelassen – der Rührlöffel im Teig, den Schusternagel halb eingeschlagen, das Hemd an der Wäscheleine mit einem Ärmel angeklammert und dem anderen nach unten baumelnd. Teilweise war der Aufbruch so
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