The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
»Nein! Ich werde nicht zulassen, daß Euch dies widerfährt! Ich werde Euch retten, das schwöre ich!«
Oder bei dem Versuch sterben …
Er wollte es herausschreien, aber derartige Hysterie würde nur die Menschen in der Burg zusammenlaufen lassen. Sie würden wissen wollen, warum er solch ein Geschrei machte. Also blieb Kevin ruhig liegen, von Ungeduld gepeinigt, und wartete, während die Stunden quälend langsam verstrichen.
Kaum färbte die aufgehende Sonne den Himmel hell, fand sich Kevin auch schon im Burghof ein. Vor Aufregung konnte er nicht einmal ruhig stehenbleiben. Er konnte es kaum erwarten, seine Gefährten zu treffen und aufzubrechen. Seine Laute trug er in ihrem Koffer auf dem Rücken, da ein Barde seine Magie niemals ohne die Hilfe seines Instruments ausüben konnte. Die wenigen Seiten des Manuskripts, die er abgeschrieben hatte, waren ebenfalls sicher darin verstaut. Doch jetzt drückte das ungewohnte Gewicht eines Kettenhemdes auf Kevins Schultern – obwohl es glücklicherweise von Zwergen angefertigt worden und daher leichter als eine von Menschen geschaffene Rüstung war. Ein Schwert aus der Waffenkammer der Burg hing an seiner Seite. Kevin schloß die Hand um den Griff und versuchte, wie ein geübter Krieger zu empfinden. Doch statt dessen erinnerte er sich schuldbewußt an die Worte seines Meisters: Ein Musiker muß immer vorsichtig mit seinen Händen umgehen.
Das werde ich auch , versprach er dem alten Barden im stillen, aber … nun … dies hier muß ich einfach tun.
Seltsam. Er hatte erwartet, der Schloßhof würde vor Rittern und Knappen nur so wimmeln, die sich auf die Rettungsexpedition vorbereiteten. Doch außer ihm selbst war keiner da. In plötzlicher Panik fragte sich Kevin, ob er trotz der frühen Morgenstunde etwa zu spät gekommen sein mochte? Waren etwa alle ohne ihn aufgebrochen?
Nein. Das war einfach lächerlich. Selbst der kühnste Ritter würde den steilen Berg von der Burg nicht im Finsteren hinabreiten. Offenbar hatte der Graf vor, die verschiedenen Suchtrupps zu verschiedenen Tageszeiten loszuschicken. Er, Kevin, war sicher der erste. Und das konnte nur bedeuten, daß der Graf ihm wirklich vertraute!
Schon, aber wo waren seine …?
»Ihr?« sagte der Bardling bestürzt. »Ihr seid mein Trupp?«
»Ihr?« antwortete eine heisere Stimme ironisch. »Ihr seid unser Anführer?«
Die Frau, die gesprochen hatte, war groß und langbeinig, eine Jägerin und Amazone. Sie trug einen Köcher auf dem Rücken und ein Schwert an der Seite. Ihr kurzes, gelocktes schwarzes Haar hielt sie mit einem Lederriemen aus dem Gesicht, und ihre dunklen Augen hatten den teuflischsten Ausdruck, den Kevin jemals gesehen hatte. Ihre olivfarbene Haut war von der Sonne tief gebräunt – und es war ein großer Teil dieser Haut zu sehen, weil ihr Lederpanzer und ihre Reithosen wahrhaftig nicht viel von ihrem geschmeidigen Körper verbargen. Kevin bemerkte, wie (und wohin) er starrte und errötete. Die Frau lachte nur.
»Macht nichts, Junge. Kein Grund, sich zu schämen, weder für dich noch für mich.« Sie streckte eine rauhe Hand zum Gruß aus; trotz ihrer unbestreitbar weiblichen Figur war ihr Händedruck alles andere als zerbrechlich.
»Ich bin Lydianalanthis, aber ich will es dir einfacher machen: Nenn mich Lydia.«
»Ich bin Kevin.« Zögernd gab er zu: »Ein Bardling.«
»Ein Bardling, he? Der Graf konnte sich wohl keinen ausgewachsenen Barden leisten.« Sie grinste über seine bestürzte Miene, und ihre Zähne schimmerten weiß gegen ihre Haut. »Nun reg dich nicht auf und nimm’s nicht so schwer, Junge! Ich hab’ nur Spaß gemacht.«
»War mir klar«, murmelte er.
»Er bezahlt dich doch wohl, oder nicht?« fragte Lydia mit einem Unterton echter Besorgnis in ihrer Stimme.
»Ich meine, ein Kind wie du … Oder versucht er etwa, dich aufs Kreuz zu legen?«
Der Bardling reckte sich empört. Ja, der Graf hatte ihm Geld gegeben, aber es war für die Reisekosten, keine Bezahlung! »Ich bin kein … kein Kind. Und auch kein Söldner!«
Lydia zuckte mit den Schultern. »Mit anderen Worten, er entlohnt dich nicht. Die Mächte mögen mich vor idealistischen Jugendlichen schützen!«
»Die Nichte des Grafen ist in schrecklicher Gefahr!
Wie könnt Ihr da nur an Geld denken?«
»Weil«, erwiderte die Frau gelassen, »ich die Gewohnheit angenommen habe, regelmäßig zu essen. Das kann ich aber nicht besonders gut, wenn ich keinen Pfennig in der Tasche habe!«
»Ihr seid keine
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