The Bards Tale 03 - Gefängnis der Seelen
trinken, mein Kleiner, oder?« sagte Sir Jehan an der Brust einer jungen Frau vorbei, die es geschafft hatte, sich auf seinen Schoß zu setzen. »Du siehst aus, als hätte dich jemand durch die Mangel gedreht, mit all dem Rotwein bespritzt.«
Erneut lachten alle, aber Kai achtete nicht darauf.
»Natürlich nicht. Ich bin schließlich kein Barbar.« Er schenkte geschickt zwei Gläser voll und reichte eins Alaire. »Trinkt. Der Abend ist noch jung.«
»War das nur ein Gerücht, daß du einen Kampf im Toten Drachen vom Zaun gebrochen hast?« sagte Jehan, der offenbar Kai locken wollte. Er hielt selbst ein großes Weinglas in der Hand und half einer seiner lebenden Dekorationen, aus ihrem zu trinken. »Oder bist du wirklich so schnell in Schwierigkeiten geraten?«
Kai lächelte böse, bevor sich sein Gesicht nach einem hörbaren Schluck aus dem Glas wieder glättete. »Würde ich so etwas tun?«
»Ja«, antwortete Jehan.
»Tja, da habt Ihr Eure Antwort.«
Während Alaire an seinem Wein nippte und Kai seinen herunterstürzte, beobachtete der Bardling Sir Jehan unauffällig. Die vielen leeren Weingläser auf dem Tisch deuteten auf ein großes Saufgelage hin, doch er bemerkte sehr schnell, daß keineswegs alle Sir Jehan gehörten. Die Mitglieder seines »Hofstaats« waren unterschiedlich stark angetrunken, und Jehan ermunterte sie noch. Er füllte ein Glas sofort, wenn es auch nur halb leer war, prostete ihnen zu und bestellte noch mehr Wein. Aber Jehan selbst trank kaum – höchstens soviel wie Alaire: ab und zu einmal einen Schluck. Während die anderen ganze Karaffen leerten, hielt sich Sir Jehan an einem einzigen Glas fest.
Seltsam, dachte Alaire. Er ist längst nicht so betrunken wie die anderen. Aber er tut so. Warum? Was macht Jehan überhaupt hier? Spioniert er vielleicht Kai nach?
Das könnte es sein. Aber Alaire zweifelte an der Effektivität des Mannes, unter diesen Umständen. Jehan schien weit mehr an dem zweifelhaften Charme der Frauen in seiner Nähe interessiert zu sein, und außerdem konnte er Kai nur dann ausspionieren, wenn der bei ihm war.
Aber er wußte schon von dem Zwischenfall im Toten Drachen. Wurden sie noch von anderen Spionen überwacht? Verfügte Jehan über ein Netzwerk von Spionen, die ihm alles hinterbrachten, während er hier hockte wie die Spinne in ihrem Netz?
Doch das war eine unfreundliche und vielleicht ungerechte Analogie. Sir Jehan wachte wahrscheinlich über Kais Sicherheit.
So mußte es sein. Er beobachtet den Prinzen, damit ihm nichts passiert, während er sich herumtreibt. Da ihn wohl kaum jemand freiwillig aufhält, verhindert das wenigstens, daß er wirklich in Gefahr gerät. Kai brauchte eindeutig jemanden, der auf ihn aufpaßte, Schwierigkeiten von ihm fernhielt und ihn herausholte, wenn er doch hineingeriet.
Alaire fühlte sich sehr erleichtert. Also war Jehan keine Person, über die er sich allzu große Sorgen machen mußte. Er würde seine Mission weder an Kai noch an jemand anderen verraten. Er konnte nur hoffen, daß seine Vorstellung an diesem Abend überzeugend gewesen war.
Ohne es zu merken, leerte Alaire sein Glas, woraufhin Kai es sofort wieder füllte. Ich kann es mir nicht leisten, heute abend zuviel zu trinken. Er führte das Glas an die Lippen, und da niemand auf ihn achtete, setzte er es wieder ab, ohne es zu trinken.
»Ich wünsche Euch allen einen guten Abend«, sagte Sir Jehan würdevoll und stand auf. »Meine kleine Herde und ich haben andere Pläne, nicht wahr, meine Hübschen?« Kichernd erhoben sich alle Frauen, die gesessen hatten, und einen Augenblick dachte Alaire, der Mann würde den Prinzen und dessen Begleiter ebenfalls einladen.
Die anderen Männer verließen wortlos den Tisch und gingen hinaus. Einige waren offenbar enttäuscht über Sir Jehans arrogante Art, alle Frauen am Tisch für sich zu beanspruchen. Der verschwand, ohne etwas zu sagen, mit seiner »Herde« die Treppe hinauf.
Wenn der Kronprinz das Gefühl hatte, ausgeschlossen worden zu sein, zeigte er es jedenfalls nicht. Dadurch stieg er beachtlich in Alaires Wertschätzung. Obwohl Alaire nicht prüde war, hatte er sich bei Jehans unverhülltem Körperkontakt mit den Barmädchen etwas unwohl gefühlt. Kai mag ja ein Trunkenbold sein, aber Kai scheint bei Frauen höhere Ansprüche zu stellen als beim Wein. Das war eigentlich bei seiner Jugend und seinem Hang zum Abenteuer ein kleines Wunder. Nein, nicht Abenteuer, verbesserte Alaire sich. Mißgeschick.
Sie saßen jetzt
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