The Bards Tale 03 - Gefängnis der Seelen
Blick. Die rückte näher, und Alaire sah zu der Harfinistin, um sie zu bitten, die unheilvolle Stille mit einem Lied aufzulockern. Erst jetzt fiel ihm auf, daß die Musik irgendwann während Kais Erzählung aufgehört hatte, und er sah, daß Rajanen ebenfalls verschwunden war. Sehr diskret. Wahrscheinlich wußte sie, was passieren würde. Er warf Helena einen Seitenblick zu, die irgendwie noch dichter gerückt war und beinah schnurrte. Sie hatte selbst während Kais Geschichte nicht aufgehört, Alaires Schenkel zu liebkosen.
Panisch sprang Alaire auf. Er wollte ein bißchen auf dem Balkon auf und ab gehen. Zu spät bemerkte er, was er getan hatte. Helena lag ausgestreckt auf dem Boden.
Um Himmels willen! dachte er und war mit einem Schritt bei ihr. »Es tut mir so leid!« Als er ihr hochhalf, sah er dankbar, daß sie nicht verärgert war. »Ich weiß nicht, was plötzlich in mich gefahren ist.«
Er reichte ihr die Hand, und Helena ergriff sie. Dabei fuhr sie mit ihrem langen Fingernagel verführerisch über seine Handfläche.
Bei dieser unerwarteten Berührung ließ Alaire ihre Hand wieder los, und Helena landete ein zweites Mal auf derselben Stelle.
»O nein! Helena, ich …«
Diesmal verriet ihre Miene, daß sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. Dabei war Alaire schon kurz davor, sich selbst zu schlagen. Erneut hielt er ihr die Hand hin, doch diesmal schlug sie seine Hilfe aus. Sehr klug, dachte er.
»Ich glaube, ich schaffe es allein«, sagte sie leise, aber eine gewisse Schärfe in ihrem Tonfall war nicht zu überhören. »Stimmt etwas nicht?«
Alaire setzte sich neben sie auf die Bank und schlug die Hände vors Gesicht. Er hoffte, daß diese Haltung Mitleid erweckte, aber er bezweifelte es.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte er. »Aber … ich bin verlobt und soll bald heiraten.«
»Ich habe keinen Verlobungsring gesehen«, erwiderte sie beleidigt. »Aber ich hätte vielleicht keine voreiligen Schlüsse ziehen sollen.«
»Es ist eine lange Geschichte«, sagte er und hoffte, daß sie nicht nachfragen würde. »Ihr seid wunderschön, Helena. Prinz Kainemonen hat …« Guten Geschmack?
Attraktive Freundinnen? Angenehme Gesellschaft? »…
die Umstände falsch interpretiert. Ich habe diesen …«
Harem? »… Balkon nicht erwartet. Bitte nehmt meine Entschuldigung an. Ich wollte Euch nicht beleidigen.«
Sie lächelte, diesmal mit sichtlichem Bedauern. »Wie schade«, sagte sie geziert, stand auf und sah ihn schmollend an. Alaires Magen verkrampfte sich. Schon wieder.
»Eure Lady hat viel Glück«, sagte sie einfach und verließ den Balkon auf demselben Weg, den Kai und die Zwillinge genommen hatten.
Alaire sah ihr einen Moment hinterher. Er wünschte, die ganze Sache wäre nie geschehen oder wenigstens …
anders verlaufen. Plötzlich spürte er Bedauern und Sehnsüchte. Gut, daß sie schon gegangen war!
Was wird Kai jetzt von mir denken? Wird er mir die Geschichte von der Verlobten abnehmen? Wahrscheinlich, obwohl er sich bestimmt wundert, warum ich sie nicht früher erwähnt habe.
Dann begriff er. Sie geht zu ihnen! Drei? An einem Nachmittag? Kein Wunder, daß er gestern abend nicht auf irgendwelche Frauen geachtet hat.
Der ganze Vorfall war Alaire peinlich und deprimierte ihn. Eine unangenehme Mischung von Gefühlen. Ich bin doch nicht prüde, oder? Die Barmädchen von gestern abend hatten sich besser benommen als diese angeblichen Ladies. Hofdamen sollten so etwas nicht tun. Andererseits, vielleicht erwartete er ja zuviel. Hier ist schließ-
lich nicht Althea. Ich kann nicht fordern, daß die Leute sich hier nach demselben Codex benehmen wie bei uns.
Aber sie waren immerhin in Begleitung des Kronprinzen.
Und offenbar waren sie sehr gut miteinander befreundet.
»Es gefällt Euch nicht, stimmt’s, junger Botschafter?«
Alaire drehte sich hastig herum. In der Tür stand Hauptmann Lyam. Er hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und lächelte ironisch. Der Bardling sprang auf und kam sich wie ein Schuljunge vor, der bei etwas Verbotenem ertappt worden war.
Der Hauptmann betrat das Zimmer so gelassen, als gehöre es ihm. Einem anderen wäre es nicht aufgefallen, aber Alaire kannte diesen vorsichtigen, fast schon zu unauffälligen Blick. Er überzeugt sich, daß wir allein sind.
Der Bardling entspannte sich. Das war keine Bedrohung, eher eine Rettung.
»Ich wollte nicht lauschen«, begann Lyam. »Aber von diesem Raum aus trägt der Schall sehr gut, und Kai hat keinen Hehl daraus gemacht,
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