The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
auf, noch bevor ich es ganz begriffen hatte. Unverwandt starrte ich sie an. »Du … du hast … «
»Zu spät.« Nashira ließ Sebs Kopf los, sodass er kraftlos nach vorne fiel. »Das hättest du selbst erledigen können, 40. Vollkommen schmerzfrei. Wenn du einfach getan hättest, worum ich dich gebeten hatte.«
Ihr Lächeln gab den Ausschlag. Sie lächelte . Getrieben von der brennenden Hitze in meinem Inneren, stürzte ich mich auf sie. Der Wächter und Alsafi packten meine Arme und zerrten mich zurück. Ich schlug um mich, trat nach ihnen und kämpfte gegen ihren Griff an, bis mir schweißnasse Strähnen ins Gesicht fielen. »Verdammtes Miststück«, schrie ich. »Miststück, bösartiges Miststück! Er war nicht mal ein Seher!«
»Stimmt, das war er nicht.« Nashira trat hinter dem Stuhl hervor. »Aber amaurotische Geister geben die besten Diener ab, findest du nicht?«
Alsafi kugelte mir fast die Schulter aus. Ich bohrte meine Nägel in den Arm des Wächters, und zwar in den verletzten, den ich selbst behandelt hatte. Er zuckte zusammen, aber das war mir egal. »Ich werde euch töten«, wandte ich mich an sie alle. Ich bekam kaum noch Luft, aber das musste einfach raus. »Ich werde euch töten, das schwöre ich.«
»Es besteht kein Grund für solche Schwüre, 40. Wir werden das für dich übernehmen.«
Alsafi schleuderte mich zu Boden, sodass mein Schädel noch einmal auf den harten Steinplatten aufschlug. Weiße Blitze zuckten vor meinen Augen. Als ich versuchte, mich zu bewegen, drückte mich etwas wieder runter. Offenbar stemmte mir jemand das Knie in den Rücken. Meine Finger kratzten blind über den Marmor. Dann schoss ein beißender Schmerz durch meine Schulter, schlimmer als alles, was ich je gefühlt hatte. Hitze, brennende Hitze. Der Geruch von bratendem Fleisch. Ich konnte nicht anders und brüllte laut auf.
»Wir schwören hiermit deine unverbrüchliche Treue zu den Rephaim.« Nashira ließ mich keine Sekunde aus den Augen. »Wir schwören es mit dem Mal des Feuers. XX -59–40, du bist nun auf ewig an den Wächter der Mesarthim gebunden. Du wirst für den Rest deines Daseins deinen wahren Namen ablegen. Dein Leben gehört uns.«
Das Feuer brannte auf meiner Haut. Ich konnte an nichts anderes denken als an diesen Schmerz. Jetzt war alles vorbei. Sie hatten Seb umgebracht, und nun töteten sie mich. Im Licht der Kerzen blitzte eine Nadel auf.
Kapitel Acht
B EI M EINEM N AMEN
Zu viel Flux in meinem Blut.
Ich rannte durch meine Traumlandschaft, immer im Kreis, immer im Kreis. Das Flux hatte sie entstellt, hatte Formen und Farben zerfetzt. Mein Herz dröhnte laut, die Luft fuhr brennend durch meine Nase und meinen Hals.
Sie bringen mich um , dachte ich, während ich gleichzeitig gegen mein Bewusstsein kämpfte, das wie Holz im Feuer zerbarst. Es war vorbei. Nashira wusste jetzt, was ich war. Sie hatte mich vergiftet, und nun würde ich sterben. Es würde nicht mehr lange dauern, schließlich konnte eine Traumlandschaft in einem toten Körper ihre Form nicht aufrechterhalten. Dann löste sich der Gedanke auf und entglitt mir, während ich weiter durch die dunkelsten Schichten meines Verstandes wanderte.
Dann fand ich sie: meine Euphotische Zone, die Zone des Sonnenlichts, wo die Schönheit wohnte. Sicherheit, Wärme. Ich rannte darauf zu, aber es war, als würden meine Füße in nassem Sand versinken. Die dunklen Schichten griffen nach mir und zogen mich zurück in die Schatten und die Finsternis. Verzweifelt kämpfte ich gegen das Flux an, trat um mich und riss mich aus seiner Umklammerung und taumelte wie ein verirrtes Samenkorn auf das sonnenbeschienene Feld voller Blumen.
Jeder Mensch auf dieser Welt hatte eine Traumlandschaft, dieses wundervolle Luftschloss in seinem Bewusstsein. In Träumen sahen sogar Amaurotiker ihre Euphotische Zone, wenn auch nicht sehr deutlich. Seher hingegen konnten in das eigene Bewusstsein blicken und sich dort aufhalten, bis ihr Körper irgendwann verhungerte. Meine Euphotische Zone bestand aus einem Feld voll roter Blumen, das den Strömungen und Veränderungen meiner wechselnden Launen unterworfen war. Ich sah die Welt außerhalb meines Körpers aufblitzen, und die Erde bebte, als ich das wenige erbrach, was ich gegessen hatte. Doch im Inneren meines Bewusstseins war alles ruhig, und ich beobachtete gelassen, wie das Flux ringsumher Chaos und Zerstörung verbreitete. Ich legte mich zwischen die Blumen und wartete auf das Ende.
*
Ich war wieder in dem
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