The Cutting
Magazin und Patronen an ihren Platz zurück und klappte das Fach zu.
»Québécoise?«, fragte er.
»Non. Française. Je suis de Montpellier. Près de la Méditerranée.«
McCabe gab keine Antwort.
»Sprechen Sie Französisch?«, wollte sie wissen.
»Nein.«
»Also gut. Dann reden wir Englisch.« Ihr Englisch schien gut zu sein, auch wenn sie mit Akzent sprach.
»Haben Sie mir die Nachricht geschrieben?«, fragte er sie.
»Natürlich.«
»Ich habe schon befürchtet, dass Sie gar nicht mehr auftauchen.«
»Ich musste sichergehen, dass Sie nicht verfolgt worden sind.«
»Warum sollte mich jemand verfolgen?«
»Wegen mir.«
McCabe blickte wieder in den Rückspiegel. Keine Scheinwerfer. Er fuhr schneller, wechselte von einem Feldweg auf den anderen, wendete gelegentlich und konnte mit Hilfe der Landkarte in seinem Kopf jeden Bogen und jede Kurve nachvollziehen. Der T-Bird war kein Porsche, aber mit der Fünf-Liter-V8-Maschine und dem Drei-Gang-Getriebe besaß er genügend Dampf und auch die nötige Wendigkeit. Falls ihn irgendjemand verfolgen wollte, dann würde er ihn entweder abschütteln oder früher oder später bemerken. Es sei denn natürlich, der Verfolger hatte die Scheinwerfer ausgeschaltet. Tückisch auf diesen schmalen Wegen. Besonders bei hohen Geschwindigkeiten, auch in einer mondhellen Nacht.
»Wer sind Sie?«, wollte er wissen.
»Mein Name ist Sophie Gauthier. Ich bin, wie gesagt, Französin. Halb Französin, halb Algerierin, um genau zu sein. Ich wurde in Algier geboren. Mein Vater war in der Kolonialarmee, meine Mutter Algerierin. Nach der Unabhängigkeit 1962 sind wir, wie die meisten Angehörigen der Kolonialmacht, nach Frankreich umgesiedelt. Damals war ich zwei Jahre alt. Ich bin im Languedoc aufgewachsen. Das ist in Südfrankreich, westlich der Provence.« Sophie Gauthier schaute sich immer wieder um, suchte nach Hinweisen auf mögliche Verfolger.
»Und weiter?«, sagte McCabe.
»Ich bin Kardiotechnikerin. Bis zum vergangenen Jahr habe ich an der Universitätsklinik in Montpellier gearbeitet, als Spezialistin für kardio-pulmonale Transplantationschirurgie.«
Transplantationen, dachte McCabe. Spencers Beteuerung, dass so etwas ausgeschlossen sei, hallte ihm noch in den Ohren. Es ging doch um eine gottverdammte Transplantation. »Herztransplantationen?«, fragte er nach.
»Ja, und Herz- und Lungen-Transplantationen.«
»Waren Sie an dem Mord an Katie Dubois beteiligt?«
»Nein. Nicht direkt. Aber ich glaube, ich weiß, wie und warum sie umgebracht wurde.«
»Auch von wem?«
»Leider nicht.«
»Wurde sie umgebracht, um ihr Herz einem anderen Menschen einpflanzen zu können?«
»Ich habe dafür keine Beweise. Und um genau zu sein, ich habe Katie Dubois nie zu Gesicht bekommen. Aber trotzdem, ja, genau diesen Verdacht habe ich.« Die grünlich schimmernde Armaturenbrettbeleuchtung, die von unten her ihr Gesicht anstrahlte, betonte ihren von Natur aus traurigen Gesichtsausdruck.
»Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen.«
»Ich kann nicht. Erst wenn ich weiß, dass mir nichts passieren kann.« Sie blickte ihn an. »Ich möchte, dass Sie mir Straffreiheit zusichern.« Ein Scheinwerferpaar kam ihnen entgegen. McCabe verlangsamte seine Fahrt und wich ein wenig nach rechts aus, um dem Fahrzeug, einem Geländewagen, auf der schmalen Straße Platz zu machen. Als dessen Scheinwerfer über sie hinwegglitten, duckte sich Sophie Gauthier und hielt sich den Arm vors Gesicht.
»Vor wem verstecken Sie sich?«, wollte er wissen.
»Vor Leuten, die mich ganz bestimmt umbringen würden, wenn sie wüssten, dass ich mit Ihnen rede.«
McCabe warf einen Blick auf Sophie und dann auf die Uhr am Armaturenbrett mit ihren altmodischen Zeigern. Vor einer Viertelstunde hatte er Maggie angerufen. Sie müsste jetzt bereits in seiner Wohnung sein. Casey war in Sicherheit. Er hätte es mitbekommen, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hätte.
»Um über Straffreiheit zu verhandeln ist es noch ein bisschen früh«, sagte er. »Ich weiß ja gar nicht, was Sie mir anzubieten haben. Ich weiß ja nicht einmal, was genau Sie getan haben. Und außerdem bin ich bloß Polizist. Über Straffreiheit oder Strafminderung müssen Sie mit der Staatsanwaltschaft reden. Ich kann lediglich eine Empfehlung aussprechen, mehr nicht. Eine Empfehlung.«
McCabe schaltete einen Gang herunter und zwang den T-Bird durch eine enge Kurve. Schnelles Fahren auf engen Straßen machte ihm für gewöhnlich Spaß. Sophie
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