The Green Mile
geschüttelt hätte.
Dann begann Del leise, aber schnell in diesem Cajun zu sprechen, das so rund und weich und sinnlich wie die Brust einer jungen Frau war. »Marie! Je vous salue, Marie, oui, pleine de grâce, le Seigneur est avec nous; vous êtes bénie entre toutes les femmes et mon cher Jésus, le fruit de vos entrailles, est béni.« Er weinte wieder, aber ich bezweifle, dass ihm das bewusst war. »Sainte Marie, oh ma mère. Mère de Dieu, priez pour moi, priez pour nous, pauv’ pécheurs, maint’ant et à l’heure … l’heure de notre mort. L’heure de mon mort.« Er atmete tief und zitternd ein. »Ainsi soît-il.«
Durch das Fenster des Büros fiel das grelle, blauweiße Licht eines Blitzes, als Delacroix aufstand. Alle außer Del zuckten zusammen; er wirkte immer noch in dieses alte Gebet vertieft. Er streckte eine Hand aus, ohne zu sehen, wohin. Brutal ergriff die Hand und drückte sie kurz. Delacroix schaute ihn an und lächelte ein wenig. »Nous voyons …«, begann er und verstummte. Dann sprach er wieder Englisch. »Wir können jetzt gehen, Boss’owell, Boss Edgecombe. Ich bin mit Gott im Reinen.«
»Das ist gut«, sagte ich und fragte mich, wie im Reinen mit Gott sich Del in zwanzig Minuten fühlen würde. Ich hoffte, dass sein letztes Gebet erhört worden war und Mutter Maria für ihn von ganzem Herzen und aus tiefster Seele betete, denn Eduard Delacroix, der Vergewaltiger und Mörder, brauchte alle Fürbitten, die er bekommen konnte. Draußen zerriss wieder ein Blitz den Himmel. »Komm, Del. Es ist jetzt nicht mehr weit.«
»Prima, Boss, das ist prima. Denn ich’abe keine Angst mehr.« Das sagte er, aber ich sah ihm an den Augen an – Vaterunser oder nicht, Ave Maria hin, Ave Maria her -, dass er log. Wenn sie über das letzte Stück des grünen Linoleums gehen und sich durch die kleine Tür ducken, haben fast alle Angst.
»Bleib am Fuß der Treppe stehen, Del«, sagte ich leise, als er durch die Tür ging, aber das hätte ich mir sparen können. Er blieb abrupt am Fuß der Treppe stehen, und zwar, weil er Percy Wetmore sah, der auf der Plattform stand, den Eimer mit dem Schwamm neben sich, und das Telefon, dessen Leitung zum Gouverneur führte, auf der Höhe seiner rechten Hüfte.
»Non«, stieß Del entsetzt hervor. »Non, non, nicht er!«
»Geh weiter«, sagte Brutal. »Schau nur mich und Paul an. Vergiss, dass er überhaupt da ist.«
»Aber …«
Leute wandten den Kopf und schauten zu uns, aber ich schob mich ein bisschen zur Seite und konnte Delacroix am linken Ellenbogen packen, ohne dass es gesehen wurde. »Ruhig«, sagte ich so leise, dass nur Del – und vielleicht Brutal – es hören konnte. »Das Einzige, das diesen Leuten von dir in Erinnerung bleiben wird, ist die Art, wie du rausgekommen bist, also zeig dich ihnen von deiner besten Seite.«
In diesem Augenblick donnerte es so laut, dass das Blechdach des Vorratsraums vibrierte. Percy zuckte zusammen, als hätte ihm jemand in den Hintern gezwickt, und Del lachte verächtlich. »Wenn es noch lauter donnert, pisst er sich wieder in die’osen«, sagte er und straffte die Schultern – nicht dass er viel zu straffen gehabt hätte. »Kommt. Bringen wir es’inter uns.«
Wir gingen zur Plattform. Delacroix ließ unterwegs seinen Blick nervös über die Zeugen schweifen – ungefähr fünfundzwanzig waren es diesmal -, aber Brutal, Dean und ich hielten unseren Blick auf den Stuhl gerichtet. Alles schien in Ordnung zu sein. Ich hob einen Daumen und blickte mit fragend gehobenen Brauen zu Percy, der ein wenig schief grinste, als ob er sagen wollte: Fragst du dich, ob alles in Ordnung ist? Na klar ist es das.
Ich hoffte, er hatte recht.
Brutal und ich griffen automatisch nach Delacroix’ Ellenbogen, als er auf die Plattform hinaufstieg. Es sind nur ein paar Zentimeter vom Boden aus, aber es würde Sie überraschen, wie viele, sogar die härtesten der harten Jungs, Hilfe brauchen, um die letzten Schritte ihres Lebens zu schaffen.
Del schlug sich wacker. Er blieb einen Moment vor dem Stuhl stehen (ohne Percy anzusehen) und sprach dann zu ihm, als ob er sich vorstellen würde. »C’est moi«, sagte er. Percy wollte nach ihm greifen, doch Delacroix drehte sich von selbst um und setzte sich hin. Ich kniete mich an seine linke Seite und Brutal an die rechte. Ich schützte meinen Unterleib und meine Kehle auf die Art, die ich bereits beschrieben habe, und schwang die Klammer herum, damit sich die offenen Klemmbacken um die
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