The Hollow
Washington Irving
Der Schnee war ein sehr kalter Gefährte, deshalb beeilte ich mich, nach Hause zu kommen. Zum Abendessen gab es ein köstlich duftendes Rindergulasch mit frisch gebackenem Brot. Mom und Dad schienen ebenso mit sich selbst beschäftigt zu sein wie ich, denn einer nach dem anderen schlurfte in die Küche, füllte seine Suppenschüssel und zog sich in seine eigene kleine Ecke zurück. Offenbar war heute Abend Selbstbedienung angesagt.
Ich verzog mich mit meinem Gulasch und meiner Tüte in mein Zimmer. Ich war ganz wild darauf, meine Geschenke auszupacken. Das Essen war immer noch viel zu heiß, deshalb stellte ich die Schüssel auf den Schreibtisch und legte die Tüte aufs Bett. Ich schälte mich aus meiner nassen Jacke, hängte sie an die Zimmertür und zerrte die durchweichten Schuhe von den Füßen. Nachdem ich eine Jogginghose und ein langärmliges T-Shirt angezogen hatte, war mir endlich wieder warm und gemütlich.
Ich holte Caspians Geschenk aus der Tüte und das von Nikolas und Katy und legte sie nebeneinander aufs Bett, um sie anzuschauen. Caspians Geschenk steckte in einer simplen braunen Schachtel und so konnte ich nicht erraten, was darin war. Die Anweisung, bis Weihnachten zu warten, nagte an meinem Gewissen und ich schaute auf die Uhr. Noch viereinhalb Stunden bis Mitternacht …
Genau genommen wäre, wenn ich bis dahin wartete, schon Weihnachtsmorgen und dann könnte ich es, ohne gegen die Regeln zu verstoßen, öffnen. Natürlich war das Haarspalterei, aber für mich war es in Ordnung. Ich schob Caspians Geschenk beiseite und betrachtete das Päckchen von Nikolas und Katy. Wenigstens ein Geschenk konnte ich jetzt schon aufmachen.
Die Verpackung bestand aus einem langen roten, gequilteten Stück Stoff, das beim Auspacken immer länger wurde. Dafür wurde der Inhalt immer kleiner. Als ich das letzte Stückchen Stoff entfernte, sah ich eine wunderschöne Teetasse aus Porzellan. Sie war klein und zierlich, Rand und Henkel waren geriffelt und in Gold gefasst. Das Muster bestand aus winzigen rosa Röschen, die aussahen, als wären sie von Hand gemalt.
Ich nahm sie in die Hand und bewunderte sie von allen Seiten. Irgendetwas schien sich in der Tasse zu befinden, deshalb drehte ich sie um und kippte den Inhalt aufs Bett. Ein kleineres Stück roter Stoff, ein Stückchen Holz und ein Blatt Papier fielen heraus. Zuerst betrachtete ich das Stück Papier und lächelte erfreut, als ich sah, dass es sich um ein handgeschriebenes Rezept für Pfefferminztee handelte. Ich war ganz gerührt, wie viele Gedanken sie sich bei diesem Geschenk gemacht hatten. Etwas Schöneres hätten sie mir kaum schenken können.
Dann nahm ich mir das kleine Stoffbündel vor, hielt es hoch und rollte es auseinander. Es enthielt ein Paar rote Strickhandschuhe und erst dann stellte ich fest, dass das lange Stück Stoff der dazu passende Schal war. Beides war wunderschön und noch dazu in meiner Lieblingsfarbe. Katy war sehr aufmerksam.
Ich legte Schal und Handschuhe beiseite und griff nach dem Holzstück, das genau in meine Handfläche passte. Es war eine naturgetreue Kopie des Schilds auf dem Eisentor mit der Aufschrift »Sleepy-Hollow-Friedhof«.
Das Schildchen war überaus sorgfältig gearbeitet. Eindeutig handgeschnitzt, jeder einzelne Buchstabe war gut und deutlich lesbar und dazu noch konturiert. Auf der Rückseite war das Wort Grabpfleger eingraviert. Nikolas musste viele Stunden lang daran gearbeitet haben. Ihre freundliche und großzügige Art rührte mich sehr und ich nahm mir fest vor, sie so bald wie möglich zu besuchen. Vielleicht würde ich ihnen auch wieder ein paar Plätzchen mitbringen.
Ich stand vom Bett auf, stellte die Teetasse und das Holzschildchen auf meinen Schreibtisch und griff nach der Schüssel mit dem Gulasch. Mit den Handschuhen an den Fingern war es etwas mühsam, aber das machte mir nichts. Ich fühlte mich erschöpft und wollte nur noch schnellstmöglich mein Abendessen verspeisen.
Nachdem ich die letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, stellte ich die leere Schale zurück auf den Schreibtisch und legte mich neben die Schachtel mit Caspians Geschenk. Mein Bauch war angenehm voll und ich wurde schlagartig müde. Ein kleines Nickerchen wäre jetzt gut. Schließlich musste ich noch fast vier Stunden überstehen …
Als ich wach wurde, zeigte die Uhr 00.48 an und ich hätte beinahe die Schachtel mit Caspians Geschenk zerdrückt. Verschlafen setzte ich mich auf und legte mir eine
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