The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
zergehen, bevor er auf seine gedehnte Art wiederholte: »Du konntest dich nicht erinnern.«
»Ja, genau!«
»Ist dir einfach entfallen, was?«
»Ja … Nein … Ich litt unter einer Amnesie.«
»Amnesie.«
»Es war keine richtige Amnesie. Ich hatte etwas eingenommen …«
»Darauf möchte ich wetten.«
»Nein, nicht was Sie denken, keine Drogen. Es war ein spezielles Mittel, das meine Erinnerung auslöschen sollte. Damit die Terroristen keine Informationen aus mir herausbekommen konnten.«
Wieder drohte der frustrierte Gorilla mich von innen zu zerreißen, als der Direktor sich langsam drehte und seine Augen von einem Wachmann zum anderen wandern ließ, als würden sie sich über einen Insiderwitz amüsieren.
»Und wer hat dir dieses Mittel gegeben?«, fragte Tanker höhnisch. »Die Amnesie-Fee, nehme ich an.«
Der Wachmann links von mir schnaubte kurz.
»Hören Sie«, versuchte ich einzulenken und meinen Zorn im Zaum zu halten. »Ich weiß, dass sich das alles nicht sehr glaubwürdig anhört.«
»Ach, das weißt du also?«, entgegnete der Direktor.
»Ja. Aber Sie müssen mir glauben. Sie müssen einfach.«
Tanker fuhr sich langsam und nachdenklich mit der Hand über seinen silbergrauen Schnurrbart. Diese Geste erinnerte mich an Sensei Mike, der sich immer über seinen großen schwarzen Schnäuzer strich, wenn er verbergen wollte, dass er lachte. Aber Sensei Mike hatte gelacht, weil er die Welt in vielerlei Hinsicht für einen komischen Ort hielt. Der Direktor dagegen lachte mich aus. »Angenommen, ich glaube dir«, fuhr er gedehnt fort. »Was soll ich deiner Meinung nach dagegen unternehmen?«
Ich hätte diesen Kerl am liebsten aus dem Fenster geworfen. »Erzählen Sie jemandem davon!«, blaffte ich. »Rufen Sie das Heimatschutzministerium an, das FBI, irgendjemanden. Was ist los mit Ihnen?«
Daraufhin versetzte Dunbar mir einen harten Schlag auf den Hinterkopf. Ich stolperte einen Schritt nach vorn.
»Zeig gefälligst mehr Respekt, wenn du mit dem Direktor sprichst!«, schnauzte er.
»Weißt du, mein Junge«, meinte Tanker – und ich musste mich zurückhalten, ihm keine zu verpassen –, »mein Problem ist, dass viele Häftlinge hier reinkommen und irgendwelche Geschichten erzählen. Sie erhoffen sich Vergünstigungen oder wollen einfach nur Ärger machen. Weißt du, woran ich merke, dass sie lügen?«
Ich zuckte resigniert die Schultern.
»Ich merke es daran, dass sich ihr Mund bewegt.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, als wolle er mich vertreiben wie einen schlechten Geruch. »Wenn du der Welt da draußen irgendwas zu sagen hast, ruf deinen Anwalt an.«
Die Wärter links und rechts von mir packten mich am Arm, um mich herauszuzerren.
»Ich habe meinen Anwalt angerufen!« Der Frustgorilla in meiner Brust tobte und rüttelte an den Gitterstäben. »Seine Kanzlei ist über die Feiertage geschlossen. Selbst wenn er mich zurückruft, selbst wenn er mir glaubt, könnte es schon zu spät sein!«
Aber der Direktor hörte mir gar nicht mehr zu. Er hatte bereits einen Aktenordner auf seinem Schreibtisch aufgeschlagen und sich anderen Dingen zugewandt. »Nun, dann hast du wohl Pech«, meinte er lapidar.
Ich wollte etwas erwidern … aber dann hielt ich inne. Mein Mund klappte hörbar zu.
Es hatte keinen Sinn.
Tanker würde mir nie glauben. Für ihn war ich nur einer dieser Gefangenen, die nichts als Lügen erzählten. Und die schreckliche Wahrheit war: Meine Geschichte klang so haarsträubend, dass ich mir an seiner Stelle wohl auch nicht geglaubt hätte.
»Na los«, befahl Dunbar mit einer ruckartigen Kopfbewegung.
Die Wärter führten mich zur Tür, während der Direktor weiter seine Akten studierte. Und als ich hinausstolperte, war es mir plötzlich sonnenklar: Das Große Sterben stand unmittelbar bevor.
In diesem Augenblick wusste ich plötzlich: Ich hatte nur eine Möglichkeit …
11
E INEINHALB S CHRITTE
Ich ging in meiner Zelle auf und ab. Eineinhalb Schritte hin, eineinhalb Schritte zurück. Immer und immer wieder. Währenddessen tobte und stampfte das Biest in mir. Aber ich beachtete es nicht und ging weiter, eineinhalb Schritte hin, eineinhalb Schritte zurück.
Meine Gedanken spielten verrückt, als würden Tausende von Stimmen in unverständlichen Sprachen durcheinanderreden und sich gegenseitig unterbrechen. Ich suchte nach einem Ausweg, einer anderen Möglichkeit als der, die mir im Büro des Direktors klar geworden war. Ich musste jemanden warnen, der Einfluss
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