The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
sich den Hals.
Prince schaute ihn an und richtete den Blick dann wieder auf mich.
»Vor meinem Fenster«, wiederholte er leise.
»Er hat gelauscht«, erklärte der Wachmann.
»Ich habe nur …«, fing ich an, schwieg aber, als Prince die Hand hob.
»Bitte beleidigen Sie nicht meine Intelligenz, Mr West.« Er schaute mich prüfend an und sagte dann: »Ich nehme an, dass Sie mir wohl kaum verraten möchten, für wen Sie arbeiten?«
»Ich arbeite für Sie«, beharrte ich. »Ich bin hierhergekommen, um für Sie zu arbeiten. Ich wollte nur mit Waylon über …«
Aber wieder hob er die Hand, und ich verstummte. Es hatte keinen Sinn. Ich klang ja nicht einmal für mich selbst überzeugend.
Prince musterte mich noch immer. Dann schaute er hinüber zu Waylon. Ganz beiläufig, als wolle er ihm sagen, er solle eine Pizza bestellen, damit wir alle zusammen noch einen Happen essen konnten, befahl er: »Foltert ihn, bis er euch alles sagt. Dann tötet ihr ihn.«
21
D AS LETZTE P UZZLETEIL
Als ich aufwachte, hatte es aufgehört zu regnen und es wurde schon dunkel.
Schlaftrunken blinzelte ich, setzte mich im Beifahrersitz des Jeeps auf und schaute verwirrt durch die Windschutzscheibe nach vorn.
Wir folgten einem Highway, der durch grasbewachsene Hügel auf den abendlichen Himmel zulief. Es herrschte kaum Verkehr. Vor uns und hinter uns fuhren nur wenige Autos und Laster und wir kamen schnell voran. Der Himmel war noch immer bewölkt, klarte aber allmählich auf. Zwischen den Wolken taten sich immer größere blaue Lücken auf, durch die die Strahlen der tief stehenden Sonne fielen. Von dem großen Sturm war nichts mehr zu merken.
Für einen Moment war ich noch so benommen, dass ich nicht wusste, wo ich war. Dann kam langsam alles wieder: der Regen, das heftige Gewitter – und all die Gefahren des Tages – die wahnsinnige Flucht, die Wärter, die Häftlinge, die Cops. Wie Bruchstücke, die sich in meinem Kopf zu einem Puzzle zusammenfügten.
Ich schaute zur Seite und sah Mike hinter dem Lenkrad. Er blinzelte zu mir herüber, sein ironisches Lächeln hinter dem schwarzen Schnauzbart verborgen. »Ausgeschlafen, Armleuchter?«
Mein Mund war völlig ausgetrocknet. Ich schluckte. »Mike … Ich erinnere mich …«
Sofort wurde er ernst. »An was?«
»An alles«, antwortete ich langsam. »Zumindest an das meiste …« Es war noch immer wie ein Traum, der sich aus verschwommenen Fragmenten zusammensetzte. »Ich war auf dem Gelände der Homelanders, hatte mich mitten in der Nacht aus meinem Zimmer geschlichen. Ich stand draußen vor einer Baracke und lauschte, als Prince von seinen Plänen sprach. Da erwischten sie mich und fesselten mich an diesen Stuhl. Ein paar von ihren Gorillas folterten mich, um an Informationen zu kommen. Sie wollten wissen, für wen ich arbeitete …« Ich sah hinüber zu Mike, als die ganze Erinnerung zurückkehrte. Er schaute mit ausdruckslosem Gesicht nach vorn auf die Straße. Keine Ahnung, was er dachte. »Ich wusste, dass ich diese Schmerzen nicht ewig aushalten konnte. Ich war kurz davor, ihnen alles zu erzählen – von Waterman und den anderen, von unserem Plan, sie aufzuhalten. Also zerbiss ich das Ding, den einer von Watermans Mitarbeitern in meinen Mund eingesetzt hatte. Es enthielt ein Serum, das sämtliche Erinnerungen an das Jahr davor auslöschte. Vielleicht hätte ich es nicht tun sollen, aber die Schmerzen waren so furchtbar, dass ich dachte …«
»Nein, nein, das war klug«, besänftigte mich Mike. »Du hast genau das Richtige getan.«
»Aber wenn ich es ausgehalten hätte und stärker gewesen wäre, dann …«
»Sei kein Armleuchter, Armleuchter«, meinte er. »Niemand kann solche Schmerzen ewig ertragen. Weder Chuck Norris noch John Wayne – ich nicht, du nicht, keiner kanndas. Du hast das einzig Mögliche getan. Du hast die Informationen gelöscht, damit sie sie nicht bekommen. Deshalb hat Waterman dir dieses Zeug doch überhaupt erst gegeben. Er hat damit gerechnet.«
Ich nickte. Wenn irgendwer wusste, was Stärke bedeutete, dann war es Mike. Wen interessierten da Chuck Norris und John Wayne? Wenn Mike sagte, er würde es nicht aushalten, wer dann?
»Klar«, überlegte ich. »Deshalb war es, als hätte ich mich an einem Abend in meinem eigenen Bett schlafen gelegt und wäre dann in diesem Folterstuhl aufgewacht. Aber jetzt ist alles wieder da. Meine Erinnerung, mein Leben. Bis zu dem Augenblick, als sie mich erwischt haben. Und ich erinnere mich noch an etwas
Weitere Kostenlose Bücher