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The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)

The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)

Titel: The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Klavan
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hinunterführte. Der Eingang im Gehsteig war zu beiden Seiten von einem niedrigen grünen Geländer umgeben. Viele bogen hier ab und liefen die Treppe hinunter, so auch Mike und ich.
    Als die Lichter der Straßen und die kühle Abendluft durch die gedämpfte Beleuchtung und die feuchte, stickige Atmosphäre der U-Bahn-Station abgelöst wurden, entspannte ich mich ein wenig. Hier unter der Erde, außer Sichtweite der Hubschrauber, fühlte ich mich sicherer.
    Bevor wir am Fuß der Treppe ankamen, schaute ich über die Köpfe der Menschen hinweg, um mich zu orientieren. In einem gekachelten Häuschen befand sich ein Fahrkartenschalter, an einer Wand standen Fahrkartenautomaten und weiter vorn gab es eine Reihe von Drehkreuzen, durch die man auf den Bahnsteig gelangte. Auch hier waren Polizisten in blauen Uniformen und beobachteten die Menschenmenge: einer bei den Fahrkartenautomaten, zwei weitere auf dem Bahnsteig.
    Mike kämpfte sich zu den Automaten vor und kam mitzwei Tickets zurück. Dann schob er mich auf die Drehkreuze zu, an denen sich die Menge staute. Endlich waren wir zu einem vorgedrungen, steckten unsere Tickets in den Schlitz und gingen durch, direkt an einem der Polizisten vorbei. Fast hätte ich ihn mit der Schulter berührt. Ich hielt den Atem an, als er mich musterte, aber dann hatten wir ihn passiert – und im nächsten Augenblick fuhr schon der Zug ein. Das Licht spiegelte sich in seinen Fenstern, als er ratternd und dröhnend an uns vorbeisauste.
    Der Zug wurde langsamer und hielt schließlich an. Die Türen gingen auf, aber niemand stieg aus. Die Wartenden strömten hinein wie Wasser in einen Trichter. Ich musste meine Ellbogen einsetzen, um mich durch die Masse in den Wagen zu drängen. Dann gingen die Türen zu, und Mike und ich wurden so dicht zusammengequetscht, dass ich kaum Luft bekam.
    Die Bahn fuhr wieder an.
    »Frohes neues Jahr!«, rief jemand betrunken.
    Wir waren unterwegs nach Manhattan.

 31 

L ABYRINTH IN DER D UNKELHEIT
    Es war eine lange Fahrt. Der Zug raste dahin, vor den Fenstern nichts als undurchdringliche Schwärze. Eingezwängt zwischen den vielen Menschen konnte ich mich kaum bewegen. Aber so wurde ich wenigstens gestützt, denn hätte ich allein stehen müssen, wäre ich vielleicht vor Erschöpfung zusammengebrochen.
    Der Wahnsinn der vergangenen Stunden lief noch einmal vor mir ab.
    Und der Silvesterabend fing erst an …
    Es war noch gar nicht so lange her, da war ich ein ganz normaler Junge in einer normalen Stadt gewesen, der ganz alltägliche Dinge tat. Was man eben so macht: in die Schule gehen, mit seinen Freunden rumhängen, an Mädchen, Sport und Computer denken. Ach, und habe ich Mädchen erwähnt? In diesem alten Leben hatte ich mich manchmal gefragt, ob ich wohl jemals etwas Aufregendes erleben würde. Und jetzt gab es Tage, ziemlich viele Tage sogar, an denen ich mich fragte, ob all die Aufregung jemals aufhören würde. Was man eben so tut.
    Ich vermisste mein Leben, den ganz normalen Alltag. Erst wenn man etwas nicht mehr hat, wird einem klar, wie gut es gewesen ist.
    Als ich jetzt inmitten all dieser Menschen stand und vormich hin starrte, tat ich mir wohl selbst ein wenig leid. Außerdem war ich so müde, dass ich nicht wusste, wie ich das alles durchstehen sollte.
    Der Zug fuhr Richtung Süden, hinüber nach Manhattan. Ausgerechnet jetzt fiel mir eine Szene aus meinem Englischunterricht wieder ein. Ja, es war wirklich komisch, an so etwas zu denken, aber plötzlich sah ich mich an meinem Platz in der Klasse sitzen, wie ich der molligen Mrs Smith zuhörte, die euphorisch ein Gedicht von Rudyard Kipling vorlas.
    »Wenn du dein Herz, die Nerven und die Sehnen / Noch spürst wo du sie längst nicht spüren darfst / So halte durch, den kann dir keiner nehmen / Den Willen, der dir sagt: Halt’ durch! Du schaffst’s!«
    Damals hatte ich gar nicht richtig zugehört, aber jetzt kamen die Worte wieder, als seien sie eigens für mich geschrieben worden:
    So halte durch, den kann dir keiner nehmen / Den Willen, der dir sagt …
    »Halt’ durch«, ermutigte mich Mike, und seine Stimme übertönte das Röhren und Rattern des Zuges. »Wir sind gleich da.«
    Der Zug wurde langsamer und Lichter blitzten in den dunklen Fenstern auf, als er in einen großen Bahnhof einfuhr: Columbus Circle. Wir hielten an und die Türen gingen auf. Es war, als würde ein Damm geöffnet, durch den die Menschen mit enormer Wucht herausströmten. Ich wurde nach draußen auf den Bahnsteig

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