The Hood
Am Kopfende sitzt Graeme Pearson, der Deputy Chief Constable. Er ist gut gekleidet und hat eine in tiefen Falten liegende Stirn. Er kommt ihr vor wie ein Politiker.
»Meine Dame und Herren«, beginnt er zur Eröffnung der Besprechung. Sie bemerkt eine Reihe von Blicken.
Nachher mischen sie sich und plaudern. Pearson ist bärbeißig, aber er ist auch geradliniger Polizist, ein Workaholic und Kämpfer, der mit einundzwanzig zum Criminal Investigation Department, dem CID , gekommen ist. Seine erste Messerstecherei hat er mit zwölf in einer Pommesbude gesehen. Dann findet sie sich in Gesellschaft eines untersetzten Polizisten in Uniform mit graumeliertem Haar wieder, dessen dichte schwarze Augenbrauen in der Mitte zusammengewachsen sind. Er erzählt von Kämpfen der Gangs. Instinktiv versucht sie, ihn für ihre Ideen zu gewinnen.
»Was ist mit einem Campus Officer, der sich ständig auf dem Schulgelände aufhält?«, sagt sie. »Gutes männliches Rollenvorbild. Alle werden sich sicherer fühlen. Die Schwänzerei wird zurückgehen.«
»Und wer soll das bezahlen?«
»Die Schulen zahlen die Hälfte.«
»Ach, wirklich? Sie müssen da niemanden verhaften. Und wir verlieren einen Polizisten, der da draußen Streife geht und den Kerl mit dem Samurai-Schwert jagt.«
»Man muss die Gewalt verhindern, bevor sie stattfindet«, insistiert sie und fuchtelt dabei mit ihrer Hand in der Luft herum. »Wenn er erst mal das Samurai-Schwert besitzt, ist es zu spät.«
Sie beginnt, Davids Geschichte zu erzählen, dass er die Schule schwänzt und sich mit seinen Kumpeln aus einer Gang herumtreibt. Während sie spricht, hebt er einen Finger, um ihr zu verstehen zu geben, dass er auch etwas sagen möchte. Sie ignoriert es aber, bis er ihr bedrohlich nahe kommt. Sobald sie fertig ist, lässt er eine Tirade über Haushaltsplanung ab.
»Sie sagen mir, ich soll Cops von der Straße abziehen, während ich gleichzeitig Jungs da draußen habe, die kaum noch ihr Pensum schaffen? Das Problem lässt sich nur mit knallharter Durchsetzung der Gesetze lösen.«
Er redet so laut, dass man sich vereinzelt nach ihnen umdreht. Andere Unterhaltungen versiegen. Karyn spürt förmlich die vielen Augen, die in diesem Moment auf ihnen liegen.
»Normalerweise lege ich mich bei einem geistigen Wettstreit nicht mit einem bewaffneten Mann an«, sagt Karyn, »aber bei Ihnen mache ich mal eine Ausnahme.«
Ein Herzschlag. Er sieht sich verschwitzt um. Dann beginnt er zu lachen. Andere grinsen breit und entspannen sich. Die gereizte Stimmung löst sich auf. Ich muss unbedingt ein paar Verbündete finden, denkt sie, als sie in die Fahrstuhlkabine tritt. Ich brauche einen ranghohen, erfahrenen Cop mit Abzeichen auf der Schulter, der mir den Rücken stärkt. Die Bullen vom alten Schlag hören auf Abzeichen. Sie sind eine Frau ihres Kalibers nicht gewohnt, die eine so glasklare Vorstellung hat und unbeirrbar ein einziges Ziel verfolgt. Ihre Schwestern sind genauso. Die eine lebt in Daytona und fliegt einen Learjet für einen Multimillionär namens Randy. Die andere ist in Nordirland, eine in Oxford ausgebildete Forscherin, die sich auf Diabetes spezialisiert hat. So karriereorientiert, dass keine von ihnen bislang Kinder hat.
Sie benötigt knallhartes Beweismaterial, wenn sie irgendwen überzeugen will.
»Karyn? Wir haben einen Mord im Drogenmilieu.« Sie blickt von ihrem Schreibtisch auf. Vor ihr steht ein ranghoher Detective mit einem gepflegten weißen Spitzbart.
»Woher wissen Sie, dass Drogen im Spiel sind?«
Er kommt unbefangen in das Büro geschlendert, sieht sich neugierig um, eine Hand in der Hosentasche. Er hat so ein Funkeln in den Augen.
»Ausgebranntes Auto einige Meilen vom Tatort entfernt. Das Opfer ein bekannter Dealer. Zwei Kopfschüsse.« Sie telefoniert kurz und lässt einen Analytiker kommen. Er ruft jemanden aus seinem Team zu einer kurzen Besprechung.
»John Carnochan«, sagt er und streckt die Hand aus. »Stellvertretender Leiter des CID . Ich fand recht interessant, was Sie da über Campus Officer gesagt haben.«
Es ist jetzt nicht der richtige Augenblick, um die Diskussion über Etats neu aufzurollen, also belässt sie es bei Small Talk.
»Warum sind Sie Detective geworden, John?«, fragt sie.
»Ich erinnere mich noch gut, wie ich als Streifenpolizist eines Nachts so gegen zwei, drei Uhr morgens klitschnass draußen stand, zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits zwei Jahre Dienst in Lanarkshire hinter mir, und die Leute vom CID
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