The Innovator's Dilemma
nach: 2003 werden weltweit erstmals mehr Digitalkameras als Filmkameras verkauft, 2005 sind es bereits viermal so viele 35 .
Wie Leica die digitale Revolution der Fotografie verpasste
Nach Dekaden des Erfolges kommt Leica 2005 und damit wenige Jahre nach Anbruch des digitalen Zeitalters in eine existenzbedrohende Schieflage. Innerhalb von zwei Jahren schrumpft der Umsatz von 144 Millionen Euro auf 94 Millionen Euro zusammen. Ein Jahresfehlbetrag von etwa 20 Millionen wird verbucht, das Eigenkapital ist weitgehend aufgebraucht.
Das Bild wird um einige Facetten reicher, wenn wir die Digitaltechnik und die Vorgänge bei Leica nochmals anhand der Prinzipien der disruptiven Innovation, wie wir sie Eingangs dargestellt haben, kurz beleuchten.
Die Digitaltechnik erfüllt – zunächst – die Qualitätsanforderungen des High-End-Segmentes nicht
Leica war der . „Ferrari der Fotografen“. Das Unternehmen setzte auf Werte wie Beständigkeit, genauso einfache wie geniale Technik, Qualität, Präzision und Solidität, die sich allesamt als kaufentscheidend erwiesen. Die Qualitätsansprüche, die Leica an sich selbst stellte, waren enorm. Man bediente das High-End-Segment. Die Kameras mit dem roten Punkt aus Solms galten immer als . „unkaputtbar“ und hatten den Ruf extremer Zuverlässigkeit. Klassiker eben, für Profis gemacht – und alle, die sich dafür halten und für ein Leica-M-Gehäuse 4 000 Euro zahlen.
Wie elitär der Kundenstamm war, belegt folgende Begebenheit, wie im Spiegel zu lesen war: Ein Kniefall vor dem Sultan von Brunei gehörte zur Zeremonie. Wie jeder andere auch, musste auch Klaus-Dieter Hofmann, seinerzeit Chef bei Leica, sich bei der Geburtstagsfeier des orientalischen Potentaten in landesüblicher Demut üben. Hofmann dürfte dieses nicht schwer gefallen sein … 350 Apparate des Leica-Klassikers M6 ließ der Herrscher vom Kamerawerk im hessischen Solms anfertigen, auf herrschaftlichen Wunsch zusätzlich mit 24 Karat vergolden und mit feinstem Emu-Leder verzieren.
Insgesamt war die Beziehung der Leica-Kunden – den Leicanianern – zum Unternehmen eine besondere. Der Vertrieb erfolgte nicht über den üblichen Fotohandel, Elektronikfachmärkten oder gar über Online-Händler. Nur ausgewählte Vertragshändler, Shop-in-Shop-Lösungen oder eigene Leica-Geschäfte kamen in Frage. Die Vertragspartner wurden in Seminaren kostenpflichtig in der Leica-Akademie geschult. Leica war den eigenen Werten, der Tradition und vor allem seinen Kunden verpflichtet. Dass gerade dies dem Unternehmen zum Verhängnis wurde, zeigt ein Spiegel-Interview mit [45] Hanns-Peter Cohn, Vorstandschef von Leica, im Jahre 2004. Aus seinem Markt- und Kundenverständnis heraus, schätzte er den Trend zur Digitalkamera vollkommen falsch ein: . „Die Digitaltechnik setzt auf Masse, auf Tempo und ist damit wie die E-Mail ein Ausdruck unserer Zeit. Mit den Handy-Kameras kommt auch noch die Innovation privater Paparazzi. Aber Fotografieren ist etwas anderes, etwas Besinnliches – das wird es immer geben.“ 36 Mit anderen Worten: Die digitale Fotografie ist nichts für Leica-Kunden. Leica setzte darauf, dass seine anspruchsvollen Kunden sich nicht für Megapixel interessieren, sondern das fotografische Erlebnis suchten und das bei höchster Qualität, von der Optik über die Mechanik bis zum Bild 37 . Auf die Frage, ob Leica die Digitaltechnik verschlafen hatte, antwortete der Leica-Chef: . „Nein, nicht wirklich. Unsere Kernkompetenz war und ist die Optik. Die digitale Aufzeichnung musste erst ein gewisses Qualitätsniveau erreichen, um unsere hochwertigen Linsen wirklich zu nutzen. Das ist jetzt erreicht. Aber wir zwingen niemanden, auf Digital zu setzen.“
Die Digitaltechnologie als Verlierer im internen Wettstreit um Leica-Ressourcen
Noch ein weiterer Grund hält Leica davon ab, in die Digitaltechnik zu investieren. Die japanischen Konzerne vor Augen, die darum kämpften, jeweils Marktanteile von mindestens 20 % zu erreichen, geht man von einer Marktbereinigung aus. Auch bei den hochwertigen Digitalkameras mit Spiegelreflex-Technik waren die Preise verdorben. Leica wähnt sich richtig positioniert und kommentiert die Entwicklungen mit dem Hinweis: . „Die digitale Revolution frisst ihre Kinder.“ 38
Warum sollte Leica in einen Markt stoßen, an dem . (a) die eigenen Kunden kein Interesse zeigen und das . (b) mit einer Technologie, mit der ohnehin nichts zu verdienen
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