The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
versuchen sollte, wieder einzusteigen. Wieder oben in unserem Stockwerk stieg ich aus und beobachtete das Display des Liftports. Er fuhr ein paarmal auf und ab und hielt in unterschiedlichen Stockwerken an. Ich wartete, um ihm ausreichend Zeit zu geben, zu verschwinden, für den Fall, dass er nicht hinter mir her war. Wieder fuhr ich hinunter ins Erdgeschoss. Der Mann war nirgends zu sehen, deshalb ging ich nach draußen und blieb an der Ecke des Gebäudes stehen, wo ich vor dem Wind geschützt war. Ich hörte ein Geräusch hinter mir und fuhr herum. Nur eine kleine Gruppe Obdachloser, die den Müll in einer Seitengasse durchwühlten. Unter ihnen erkannte ich Joan.
Als ich mich ihnen näherte, stoben die Frauen wie die Tauben auseinander, mit Ausnahme von Joan und dieser anderen Frau, die schon bei unserer letzten Begegnung bei ihr gewesen war.
»Joan? Geht es dir gut?«, fragte ich, obwohl die Antwort offenkundig war.
Sie blickte zu mir auf, und für den Bruchteil einer Sekunde war mir, als würde sie mich erkennen. Doch sofort war dieser Funke wieder verflogen.
»Deine Familie meint, sie hätten lange nichts mehr von dir gehört. Ich weiß, dass deine Mom sich Sorgen macht.« Ich hatte Mike bisher nichts davon erzählt, dass ich Joan begegnet war. Wie konnte ich das, ohne ihn total unglücklich zu machen? Mrs Trueblood war so außer sich gewesen vor Freude, als man Joan auserwählt hatte. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie sie sich fühlen würde, wenn sie Joan jetzt so sähe.
»Kann nicht«, erwiderte sie, wobei sie auf ihre Füße starrte. »Gefährlich.«
»Kann ich etwas für dich tun? Möchtest du, dass ich sie für dich anrufe?«
Joans Freundin drängte sich nun zwischen uns. »Lass sie bloß in Ruhe«, meinte sie. »Der Regierungsrat hat ihr und den anderen schon genug angetan.«
»Sie hat eine Familie«, beharrte ich. »Und Freunde. Wir können ihr helfen.«
Joan streckte hinter der Frau ihre Hand aus und packte mich am Arm. »Sag Mike … ich vermisse ihn.« Eine Träne kullerte ihr über die Wange und schnell wandte sie sich wieder den Mülltonnen zu.
»Hey, Mädchen. Wenn du ihm das sagst, bringst du dich in Gefahr. Und ihn auch.« Die Frau sah mich finster an, dann legte sie schützend ihren Arm um Joan. Sie führte sie davon wie ein kleines Kind, an den Mülltonnen vorbei, dann waren sie verschwunden.
Ich war hin und her gerissen. Ich hätte Mike gern erzählt, dass seine Schwester wieder da war, doch ich hatte nicht den Mut dazu. Nicht nach diesen warnenden Worten. Wenn all das, was Wei mir über We LS erzählt hatte, tatsächlich stimmte und die Regierung da mit drinsteckte, dann war es wohl wirklich am besten für ihn, wenn er nichts erfuhr.
Ich wollte gerade aus der Seitengasse heraustreten, da entdeckte ich den Mann im Mantel, der an einem Laternenpfosten auf der anderen Straßenseite lehnte. Inzwischen waren mindestens zwanzig Minuten vergangen, seit wir den Liftport verlassen hatten. Zum Glück kam in diesem Moment der Transit angefahren. Ich rannte rüber zur Haltestelle und drängte mich zwischen zwei Damen durch, die auf die Nummer 33 warteten. Ihre zornigen Blicke überging ich geflissentlich. Ich stieg ein und nahm vorsichtig auf dem Sitz direkt hinter dem Fahrer Platz. Durch das Fenster konnte ich den Mann im Mantel beobachten. Er stand immer noch an derselben Stelle und sah mir hinterher, als wir losfuhren. Die untere Ecke des Albums bohrte sich mir jetzt in den Oberschenkel. Zum Glück war es nicht weit, sonst wären mir gewiss die Beine eingeschlafen. Wei wartete bereits an der Haltestelle auf mich.
»Bin ich froh, dass du da bist.« Ich steckte die Hand unter meine Jacke und rückte das Buch zurecht.
»Was machst du denn da? Juckt dich was?«
»Ich hab’s hier drin. Wir müssen uns beeilen, da war ein Mann bei der Transit-Haltestelle …«
Wei fing an zu lachen. »Nina, du hättest dir keinen Kopf machen müssen. Dads Freunde, verstehst du?« Sie deutete mit dem Kinn auf einen blauen Trannie, der am Straßenrand stand. Dort drinnen saß der Mann in dem schwarzen Mantel. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss, eine Kombination aus Erleichterung und Verlegenheit. Was bin ich bloß für eine dämliche Kuh!, dachte ich. Wei zerrte mich hinter sich her zu ihrem Haus.
»Ich helfe gerade meinem Bruder in der Küche«, meinte Wei und öffnete die Tür. »Mom erwartet dich im Wohnzimmer.« Sie drückte mich kurz und ging dann. Ehe ich den Raum betrat, holte ich noch
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