The Stand. Das letze Gefecht
mit Nerz abgesetzte Tasche, der sie eine Packung Mentholzigaretten entnahm. »Er erinnert mich an einen wahnsinnigen Diogenes.«
»Ja, er sucht ein anständiges Monster«, sagte Larry und lachte wieder.
Sie zündete sich eine Zigarette an und stieß den Rauch aus.
»Er ist auch nicht krank«, sagte Larry. »Aber die meisten anderen.«
»Dem Pförtner in unserem Gebäude geht es ausgezeichnet«, sagte Rita. »Er tut sogar noch Dienst. Als ich heute morgen weggegangen bin, habe ich ihm einen Fünfer gegeben. Ich weiß nicht, ob ich ihm das Trinkgeld gegeben habe, weil er gesund war oder weil er Dienst tat. Was glauben Sie?«
»Ich kenne Sie nicht gut genug, das zu beantworten.«
»Nein, natürlich nicht.« Sie verstaute die Zigaretten wieder in ihrer Handtasche, und er sah, daß sie einen Revolver darin hatte.
»Der gehörte meinem Mann. Er war leitender Karrierist bei einer großen New Yorker Bank. So hat er sich selbst immer genannt, wenn jemand ihn gefragt hat, wie er sein Geld für die Cocktailzwiebeln verdiente. Ich-bin-leitender-Karrierist-bei-einergroßen-New-Yorker-Bank. Er starb vor zwei Jahren. Er war bei einem Essen mit einem dieser Araber, die immer aussehen, als hätten sie jedes sichtbare Stück Haut mit Brylcrem eingerieben. Er bekam einen Herzanfall. Er starb mit umgebundener Krawatte. Glauben Sie, das könnte für unsere Generation das Äquivalent für das Sprichwort sein, daß man in den Stiefeln stirbt? Harry Blakemoor starb mit umgebundener Krawatte. Das gefällt mir, Larry.«
Ein Fink landete vor ihnen und pickte auf dem Boden herum.
»Er hatte wahnsinnige Angst vor Einbrechern, darum hatte er diese Waffe. Ob Revolver wirklich rückstoßen und großen Lärm machen, wenn sie losgehen, Larry?«
Larry, der in seinem ganzen Leben noch keinen Revolver abgefeuert hatte, sagte: »Bei einer so kleinen Waffe wird der Rückstoß nicht so stark sein. Ist es ein Achtunddreißiger?«
»Ich glaube, es ist ein Zweiunddreißiger.« Sie nahm ihn aus der Tasche, und Larry sah, daß sie eine ganze Anzahl von Fläschchen mit Tabletten bei sich hatte. Diesmal folgte sie seinem Blick nicht. Sie sah zu einem kleinen Zedrachbaum, der etwa fünfzehn Schritte entfernt stand. »Ich glaube, ich versuche es. Meinen Sie, daß ich den Baum da drüben treffe?«
»Ich weiß nicht«, sagte er besorgt. »Aber ich finde, Sie sollten nicht...«
Sie drückte ab, und die Waffe ging mit einem eindrucksvollen Knall los.
Der Zedrachbaum hatte ein kleines Loch. »Ins Schwarze«, sagte sie und blies den Rauch vom Lauf wie ein Revolverheld.
»Echt gut«, sagte Larry, und als sie die Waffe in die Tasche zurücklegte, schlug sein Herz wieder in normalem Rhythmus.
»Auf einen Menschen könnte ich damit niemals schießen. Und bald wird keiner mehr da sein, auf den man schießen könnte, nicht wahr?«
»Oh, ich weiß nicht so recht.«
»Sie haben meine Ringe betrachtet. Möchten Sie einen haben?«
»Hm? Nein!« Er wurde wieder rot.
»Als Bankier glaubte mein Mann an Diamanten. Er glaubte an sie, wie die Baptisten an die Offenbarung glauben. Ich habe jede Menge Diamanten, und alle sind versichert. Wir besaßen nicht nur ein Stück vom Fels der Zeiten, mein Harry und ich, manchmal glaubte ich, wir hätten ein Pfandrecht auf das ganze verdammte Ding. Aber wenn jemand meine Diamanten haben wollte, würde ich sie ihm geben. Es sind schließlich nur Steine, nicht wahr?«
»Das stimmt wohl.«
»Natürlich«, sagte sie, und ihr Halsmuskel zuckte wieder leicht. »Und wenn plötzlich ein Bandit vor mir stehen würde und sie haben wollte, würde ich sie ihm nicht nur überlassen, ich würde ihm außerdem die Adresse von Cartier's geben. Die haben eine viel schönere Kollektion als ich.«
»Was haben Sie jetzt vor?« fragte Larry.
»Was würden Sie vorschlagen?«
»Ich weiß wirklich nicht«, sagte Larry seufzend.
»Das wäre genau meine Antwort gewesen.«
»Wissen Sie was? Ich habe heute morgen einen Typen getroffen, der sagte, er wolle ins Yankee Stadion gehen und auf dem Schlagmal wi... masturbieren.« Er merkte, daß er wieder rot wurde.
»Da muß er ja entsetzlich lange laufen«, sagte sie. »Warum haben Sie ihm nicht etwas Näheres vorgeschlagen?« Sie seufzte, und der Seufzer ging in ein Zittern über. Dann machte sie die Handtasche auf, nahm eines dieser Tablettenfläschchen heraus und warf sich eine Gel-Kapsel in den Mund.
»Was ist das?« fragte Larry.
»Vitamin E«, sagte sie mit einem glitzernden falschen Lächeln.
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