The Stand. Das letze Gefecht
Tür hinunter. Links vom Treppenabsatz führte eine andere Treppe in dichte Dunkelheit hinab. Die obere Hälfte der zweiten Tür hatte eine mit Drahtgitter verstärkte Glasscheibe. Dahinter lag nur die Nacht, die wunderschöne milde Sommernacht, und alle Freiheit, von der ein Mann nur träumen kann. Stu sah gebannt nach draußen, als eine Hand aus der Dunkelheit der Treppe schnellte und ihn am Knöchel packte. Ein Schrei zerkratzte Stus Hals wie ein Dorn. Er drehte sich um - sein Magen war eine treibende Eisscholle - und erblickte ein aus der Dunkelheit heraufstarrendes blutiges und grinsendes Gesicht.
»Komm runter und laß uns zusammen bibbern, schöner Knabe«, flüsterte es mit gebrochener, sterbender Stimme. »Es ist ja soooooo dunkel...«
Stu kreischte und versuchte sich loszureißen. Das grinsende Ding aus der Dunkelheit aber hielt ihn fest und redete und grinste und kicherte. Blut oder Kotze floß ihm aus den Mundwinkeln. Stu trat gegen die Hand, die seinen Knöchel festhielt, dann stampfte er darauf. Das Gesicht, das im Dunkel des Treppenschachts schwebte, verschwand. Eine Reihe polternder Geräusche waren zu hören... dann fingen die Schreie an. Ob Schreie des Schmerzes oder Schreie der Wut, wußte Stu nicht. Es war ihm auch einerlei. Er warf sich mit der Schulter gegen die äußere Tür. Sie flog auf, und er taumelte nach draußen, wild mit den Armen rudernd, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er verlor es trotzdem und stürzte auf den betonierten Weg.
Er richtete sich langsam, fast argwöhnisch auf. Die Schreie hinter ihm waren verstummt. Ein kühler Abendwind strich ihm übers Gesicht und trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Er stellte beinahe erstaunt fest, daß hier Rasen und Blumenbeete angelegt waren. Noch nie hatte eine Nacht so angenehm für ihn geduftet. Eine Mondsichel beherrschte den Himmel. Stu sah dankbar nach oben, dann ging er über den Rasen zur Straße, die in die Stadt Stovington hinunterführte. Das Gras war taubenetzt. Er konnte den Wind in den Fichten flüstern hören.
»Ich lebe«, rief Stu Redman in die Nacht. Er fing an zu weinen. »Ich lebe, Gott sei Dank, ich lebe, ich danke dir, Gott, ich danke dir, Gott, ich danke dir...«
Leicht schwankend machte er sich auf den Weg die Straße hinunter.
30
Staub wehte über das Buschland von Texas, bildete in der Dämmerung einen durchsichtigen Schleier, der die Stadt Arnette wie ein Geisterbild erscheinen ließ. Bill Hapscombs Texaco-Schild war heruntergeweht und lag mitten auf der Straße. Jemand hatte in Norm Bruetts Haus das Gas angelassen, und am Vortag hatte ein Funke aus der Klimaanlage das ganze Domizil in die Luft gejagt. Schindeln und Steine und Kinderspielzeug waren überall auf der Laurel Street verstreut. Auf der Main Street lagen Soldaten und Hunde tot in der Gosse. In Randy's Imbiß hing ein Mann im Pyjama mit herabhängenden Armen tot über dem Fleischtresen. Einer der Hunde, die jetzt tot im Rinnstein lagen, hatte sich mit dem Gesicht des Mannes beschäftigt, bis er den Appetit verloren hatte. Katzen bekamen die Grippe nicht, sie strichen zu Dutzenden wie dunkle, rauchige Schatten durch die Dämmerung. Aus mehreren Häusern war das leere Rauschen von Fernsehern zu hören. Ein Fensterladen klapperte hin und her. Ein roter Lastwagen, alt, verrostet und verblichen, mit dem fast unleserlichen Schriftzug SPEEDWAY EXPRESS auf der Seite, stand mitten auf der Durgin Street vor der Indian Head Tavern. Auf dem Wagen standen kistenweise leere Pfandflaschen von Bier und Sodawasser. An der Logan Lane, Arnettes bester Wohngegend, brachte der Wind das Glockenspiel auf der Veranda von Tony Leominsters Haus zum Erklingen. Tonys Scout stand mit heruntergedrehten Fenstern in der Einfahrt. Auf dem Rücksitz hatte sich eine Eichhörnchenfamilie häuslich eingerichtet. Die Sonne wandte sich von Arnette ab; in der Stadt wurde es dunkel unter den Schwingen der Nacht. Abgesehen vom Zirpen und Flüstern kleiner Tiere und dem Klingeln von Tony Leominsters Windspiel war es in der Stadt still. Still. Still.
31
Christopher Bradenton quälte sich aus dem Delirium wie ein Mann, der versucht, aus Treibsand herauszukommen. Er hatte Schmerzen am ganzen Körper. Sein Gewicht kam ihm fremd vor, als hätte jemand ihm an mehreren Stellen Silikon eingespritzt, so daß es jetzt so groß wie ein Heißluftballon war. Sein Hals war ein einziger Schmerz, und was schlimmer war, die Luftröhre schien von ihrer normalen Größe zum Umfang der Öffnung
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