Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
(jedenfalls für Joe) war auch Larry nie darauf gekommen.
    Sie sagte sich immer wieder, Joe würde einsehen, daß sie ihn brauchten... und nicht nur ihn. Sie konnten nicht allein bleiben. Wenn sie allein blieben, würden sie allein sterben. Joe würde sich an die Vorstellung gewöhnen; er hatte sein früheres Leben ebensowenig in einem Vakuum verbracht wie sie.
    »Joe«, rief sie nochmals leise.
    Er konnte so lautlos sein wie ein Guerilla des Vietkong, der durch das Unterholz schlich, aber in den vergangenen drei Wochen hatten sich ihre Ohren an ihn gewöhnt, und heute abend schien als zusätzlicher Bonus der Mond. Sie hörte leises Kratzen und Klickern von Geröll und wußte, wohin er ging. Sie achtete nicht auf ihre Schmerzen und folgte ihm. Es war Viertel nach zehn. Sie hatten ihr Lager (wenn man zwei Decken im Gras »Lager« nennen wollte) hinter dem North Berwick Grille gegenüber vom Supermarkt aufgeschlagen und die Räder in einem Schuppen hinter dem Restaurant versteckt. Der Mann, dem sie folgten, hatte auf dem Spielplatz der Schule vis-à-vis gegessen (»Ich wette, wenn wir zu ihm gehen, wird er uns von seinem Essen abgeben, Joe«, hatte sie taktvoll gesagt. »Es ist heiß... und duftet es nicht herrlich? Ich wette, es schmeckt viel besser als diese Wurst.« Joe hatte die Augen aufgerissen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und mit dem Messer haßerfüllt in Larrys Richtung gefuchtelt); danach war der Mann die Straße entlang bis zu einem Haus mit verglaster Veranda gefahren. Offenbar war er, wie er das Fahrrad lenkte, ein wenig betrunken. Jetzt schlief er auf der Veranda des Hauses, für das er sich entschieden hatte.
    Sie ging schneller und zuckte zusammen, wenn sich spitze Steine in ihre Fußsohlen bohrten. Links standen Häuser, und sie ging zu deren Rasen, die jetzt wild wuchsen. Das Gras, das naß von Tau war und angenehm roch, reichte ihr bis zu den Schienbeinen. Sie mußte an eine Zeit denken, als sie mit einem Jungen durch solches Gras gelaufen war, unter einem Vollmond, nicht einem abnehmenden, wie jetzt. Ein heißer, angenehmer Ball der Erregung hatte in ihrem Unterleib geglüht, und sie war sich deutlich bewußt gewesen, daß ihre Brüste, die, voll und erblüht, bei jedem Schritt wippten, etwas Sexuelles waren. Der Mond hatte ihr ein Gefühl vermittelt, als wäre sie trunken, ebenso das Gras, das ihre Beine mit seiner nächtlichen Feuchtigkeit benetzt hatte. Sie hatte gewußt, wenn der Junge sie erwischte, würde sie ihm ihre Jungfräulichkeit schenken. Sie war wie eine Indianerin durch den Mais gelaufen. Hatte er sie erwischt? Was für eine Rolle spielte das jetzt noch? Sie lief schneller und sprang auf einen Betonweg, der wie eine Bahn aus Eis in der Dunkelheit schimmerte.
    Und da war Joe; er stand am Rand der verglasten Veranda, wo der Mann schlief. Seine weiße Unterhose war das Hellste in der Dunkelheit; die Haut des Jungen war so dunkel, daß man auf den ersten Blick den Eindruck hatte, als würde die Unterhose allein dastehen und in der Luft schweben oder als hätte H. G. Wells'
    Unsichtbarer sie angezogen.
    Joe war aus Epsom, das wußte sie, denn dort hatte sie ihn gefunden. Nadine kam aus South Barnstead, eine fünfzehn Meilen nordöstlich von Epsom gelegene Stadt. Sie hatte systematisch nach anderen gesunden Menschen gesucht, aber gezögert, ihr Haus und ihre Heimatstadt zu verlassen. Sie hatte ihr Suchgebiet erweitert, in konzentrischen Kreisen, die immer größer und größer wurden. Sie hatte nur Joe gefunden, der von einem Tier gebissen worden war - Ratte oder Eichhörnchen, der Größe nach -, Fieber hatte und im Delirium war. Er hatte nackt bis auf die Unterhose auf dem Rasen eines Hauses in Epsom gesessen und das Schlachtermesser in der Hand gehabt wie ein alter Steinzeitwilder oder ein sterbender, aber immer noch tückischer Pygmäe. Nadine hatte Erfahrung bei der Behandlung von Infektionen. Sie hatte ihn ins Haus getragen. War es sein Elternhaus? Sie hielt es für wahrscheinlich, konnte aber nicht sicher sein, falls Joe es ihr nicht sagte. In dem Haus waren Tote gewesen, viele Tote - Mutter, Vater, drei andere Kinder, das älteste um die Fünfzehn. Nadine hatte eine Arztpraxis gefunden, wo es Desinfektionsmittel und Antibiotika und Verbandszeug gab. Sie war nicht sicher, welche Antibiotika die richtigen sein würden, und sie wußte, sie konnte ihn umbringen, wenn sie die falsche Wahl traf, aber wenn sie nichts tat, würde er auch sterben. Die Bißwunde war am Knöchel, der

Weitere Kostenlose Bücher