The Stand. Das letze Gefecht
im Land des Wahnsinns. Die eisernen Pforten waren geschlossen.
Der Mond...!
Der Mond war fast untergegangen.
Er hatte noch ein Kaninchen gefangen, hatte das zitternde kleine Ding mit bloßen Händen gehalten und ihm das Genick gebrochen. Er hatte ein neues Feuer auf den Gebeinen des ersten gemacht, und jetzt grillte das Kaninchen und ließ Duftschleier emporsteigen. Jetzt waren keine Wölfe mehr da. Heute nacht waren sie ferngeblieben - und das war nur mehr als recht und billig. Immerhin war dies seine Hochzeitsnacht, und das verwirrte und apathische Ding, das zusammengesunken auf der anderen Seite des Feuers saß, war seine errötende Braut.
Er griff hinüber und hob ihre Hand aus ihrem Schoß. Als er sie losließ, verharrte die Hand an Ort und Stelle, auf der Höhe des Mundes. Er studierte dieses Phänomen einen Augenblick, dann legte er die Hand wieder in ihren Schoß. Dort bewegten sich die Hände träge wie sterbende Schlangen. Er stieß zwei Finger vor ihre Augen, aber sie blinzelte nicht. Sie sah einfach nur ins Leere. Er war aufrichtig verwirrt.
Was hatte er mit ihr gemacht?
Er konnte sich nicht erinnern.
Es spielte auch keine Rolle. Sie war schwanger. Wenn sie darüber hinaus noch katatonisch war, was machte das? Sie war der perfekte Brutkasten. Sie würde seinen Sohn austragen, gebären, und dann hatte sie ihren Zweck erfüllt und konnte sterben. Schließlich war sie nur dazu da.
Das Kaninchen war fertig. Er brach es in zwei Hälften. Er riß ihre Hälfte in kleine Stückchen, wie Babynahrung. Er fütterte ihr ein Stück nach dem anderen. Manche Stückchen fielen ihr halb gekaut aus dem Mund in den Schoß, aber den größten Teil aß sie. Wenn sie so blieb, brauchte sie eine Krankenschwester. Vielleicht Jenny Engstrom.
»Es war sehr gut, Liebste«, sagte er leise.
Sie sah mit leeren Augen zum Mond hinauf. Flagg lächelte ihr zärtlich zu und verschlang sein Hochzeitsmahl.
Guter Sex machte ihn immer hungrig.
Er erwachte in der zweiten Nachthälfte und richtete sich verwirrt und voller Angst in seinem Schlaf sack auf... es war die instinktive, unwissende Angst eines Tieres - eines Raubtiers, das spürt, daß es vielleicht selbst gejagt wird.
War es ein Traum gewesen? Eine Vision...?
Sie kommen.
Erschrocken versuchte er, diesen Gedanken zu begreifen, ihn in einen Zusammenhang zu bringen. Aber es gelang ihm nicht. Er schwebte wie ein böser Zauber im Raum.
Sie sind schon näher.
Wer? Wer war schon näher?
Der Nachtwind flüsterte und schien ihm eine Witterung zuzutragen. Jemand kam und...
Jemand ging.
Während er schlief, war jemand in östlicher Richtung an seinem Lager vorbeigegangen. Der unbekannte Dritte? Er wußte es nicht. Es war Vollmondnacht. War der Dritte entkommen? Dieser Gedanke versetzte ihn in Panik.
Ja, aber wer kommt?
Er betrachtete Nadine. Sie schlief in Embryohaltung zusammengerollt, die Haltung, die sein Sohn in wenigen Monaten in ihrem Bauch einnehmen würde.
Sind es Monate?
Wieder hatte er das Gefühl, daß die Dinge an den Rändern unscharf wurden. Er legte sich wieder hin und glaubte, in dieser Nacht nicht mehr schlafen zu können. Aber er schlief doch. Und als er am nächsten Morgen nach Las Vegas fuhr, lächelte er wieder und hatte die nächtliche Panik fast vergessen. Nadine saß fügsam neben ihm auf dem Sitz, eine große Puppe mit einem sorgfältig in ihrem Leib verborgenen Samen.
Er fuhr zum Grand; dort erfuhr er, was geschehen war, während er schlief. Er sah den neuen Ausdruck in ihren Augen, argwöhnisch und fragend, und spürte wieder, wie ihn die Angst mit ihren leichten Mottenflügeln berührte.
66
Etwa zu der Zeit, als Nadine ein paar Einsichten kamen, die eigentlich auf der Hand hätten liegen sollen, saß Lloyd Henreid allein in der Cub Bar, spielte Big Clock Solitaire und mogelte. Er war gereizt. An diesem Tag war es in Indian Springs zu einem Brand gekommen, ein Toter, drei Verletzte, und davon würde einer mit Sicherheit an den Brandwunden sterben. Sie hatten niemand in Vegas, der solche Verletzungen behandeln konnte.
Carl Hough hatte die Nachricht überbracht. Er hatte eine extreme Stinklaune gehabt und war nicht der Mann, den man leicht nahm. Vor der Seuche war er Pilot bei Ozark Airlines gewesen, davor bei den Marines, und er hätte Lloyd mit einer Hand in zwei Hälften brechen und gleichzeitig mit der anderen einen Daiquiri mixen können, wenn er gewollt hätte. Carl behauptete, daß er im Verlauf seiner langen und aufregenden Karriere
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