The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Wieder musste ich Kot in der Zelle herumschmieren und den Beobachtungsschlitz zustopfen. Dem Verwalter sagte ich, wenn er mich in eine normale Zelle schickte und das Personal mich in Ruhe ließ, würde ich mich ganz normal benehmen; aber wenn nicht, dann würde ich ihm zu einem Stachel im Fleisch werden, den er lange nicht vergessen würde. Daraufhin ließ er mich in eine normale Zelle und setzte die Dauer der Strafe, die ich für den „Waffenbesitz-Vorfall“ verbüßen musste, herab.
Die Arbeit der Gefängniswärter ist äußerst eintönig, meist verbringen sie ihre Zeit mit Herumsitzen, Tee- oder Kaffeetrinken und der Lektüre von Pornozeitschriften, die sich von den Häftlingen ausgeliehen haben. Mittags trinken sie in ihren Gemeinschaftsräumen täglich Bier und kommen dann reichlich mitgenommen und dazu noch aggressiv nachmittags zur Arbeit zurück. Bei all der ganzen Langeweile haben Vorfälle deshalb stets belebende Wirkung, machen aber auch Lust auf Gewalt. Die Aussicht darauf, mit Gewalt über einen Häftling herzufallen, wirkt auf viele Gefängniswärter erregend und stimulierend, und sie haben dann noch tagelang Gesprächsstoff und etwas zu lachen.
Diese beschriebenen Vorfälle berichtete ich meiner Anwältin Gareth Pearce, die einen Besuchstermin am Valentinstag 1984 mit mir vereinbarte. Am vorgesehenen Tag ihres Besuchs um neun Uhr morgens aber verlegte mich die Strafvollzugsbehörde in das Hunderte von Meilen entfernte Gefängnis von Wakefield in Yorkshire, wo ich die übelste Behandlung meiner gesamten Haftzeit von vierzehneinhalb Jahren erlebte. Bei meiner Ankunft in Wakefield empfing mich der stellvertretende Anstaltsleiter und teilte mir mit, dass ich im „F-Trakt“ in Einzelhaft käme, um „Zucht und Ordnung“ der Anstalt zu gewährleisten. Haftanstaltsleiter sind bemächtigt, aus beliebigem Anlass unbegrenzte Einzelhaft gemäß der „Zucht-und-Ordnung-Regel“ zu verhängen. Einspruch dagegen ist nicht möglich.
Noch während man mich wegführte, wurde mir plötzlich klar, was es bedeutete, dass er den „F-Trakt“ erwähnt hatte. Wie ich mich erinnerte, hatte um 1980 herum der Oberste Gerichtshof in London verfügt, dass eine berüchtigte „Kontrollstation“, die im F-Trakt des Gefängnisses von Wakefield in Betrieb war, zu schließen sei. Es hatten sich Häftlinge über totale Isolation, außergewöhnliche Einschränkungen, verschiedenfarbig gemalte desorientierende Wellenlinien an den Wänden des kleinen Traininghofs und andere Dinge beklagt, und das Gericht hatte ihnen geglaubt. Als ich damals mit Leuten sprach, die dort eingesessen hatten, glaubte ich die Behauptung mit den Wellenlinien nicht und warf ihnen reichliche Übertreibung vor. Damit lag ich aber völlig falsch.
Man brachte mich in einen Kellerraum, wo sich Duschen ohne Türen befanden. Dort sollte ich meine Kleidung ablegen und vor den Augen von drei oder vier muskulösen Wärtern duschen. Als ich mich auszog, brachte man meine Kleider weg und gab mir dafür andere, die mehrere Nummern zu groß für mich waren. Auf meine Frage warum, bekam ich zur Antwort, das sei im F-Trakt die Regel. Dann brachten sie mich zu einer Zelle, die vor der Eisentür einen kleinen Vorraum hatte. Dort sollte ich meine Schuhe abstellen und dann barfuß die Zelle betreten. In dieser befanden sich nichts weiter als das übliche mit den Pfosten im Boden einzementierte Bett, ein Stuhl und ein Tisch. Das Fenster war das schlimmste, was ich je gesehen hatte. Es saß etwa acht Fuß hoch in der Wand, wurde durch die Gitterstäbe verdunkelt, und dahinter waren nur kleine Milchglasbausteine. Zwei davon fehlten und sorgten so für Zugluft; das Licht in der Zelle war trübe. Die Wärter sagten, Reden sei verboten, man dürfte seine Hände nicht in die Taschen stecken, und es gäbe weitere Regeln, wie dass man jeden Morgen um sieben Uhr seine Bettwäsche vor der Tür ablegen und den Fußboden auf allen Vieren mit einer Zahnbürste und einem Eimer Wasser zu reinigen hatte. Da kein Gefängnisvorstand und auch keine Strafvollzugsbehörde eine Sonderstrafhaft für mich verhängt hatte, wollte ich wissen, welche Begründung für diese Abweichungen von normalen Einzelhaftbedingungen vorlag. Die Antwort war: „Du bist hier im F-Trakt, und das noch mindestens zwei Jahre lang.“
Damit war mir klar, dass hier die „Kontrollstation“ unter einem anderen Namen weiterbetrieben wurde und dass die Verwaltung von Wakefield glaubte, sie könne das noch ungestört so
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