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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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sie losschleuderten. Die Schlacht tobte die ganze Nacht hindurch, wobei beide Seiten Boden gewannen und verloren. Die Polizei setzte große Mengen von CS-Gas ein, ohne Erfolg.
    Die Clarendon Street und die angrenzende Great James Street waren zeitweilig Teil des Schlachtfeldes. Barrikaden aus Postfahrzeugen (aus einem nahe gelegenen Fahrzeughof) wurden quer über beide Straßen gestellt, um zu verhindern, dass die Polizei und der protestantische Mob die katholische Kathedrale angriffen. Als Schüsse auf uns abgefeuert wurden, die einige Menschen verletzten, ließ man brennende Fahrzeuge die Great James Street hinunter auf die Polizei und die Randalierer zu rasen. Ich stand am oberen Teil der Great James Street, als zwei Leute nur wenige Meter von mir entfernt angeschossen wurden. Ich konnte es kaum glauben, dass meine protestantischen Nachbarn sich am unteren Ende der Straße drängten, von wo die Schüsse kamen, und ich konnte es nicht fassen, dass wir keine Schusswaffen hatten.
    Ich glaubte, Gesetz und Ordnung seien für immer zerstört. Hier waren Katholiken aller Gesellschaftsschichten schwer damit beschäftigt, mit Waffen aller Art außer Schusswaffen die Kathedrale und das Ghetto zu schützen – und dort waren die Protestanten und die Polizisten, die Schüsse auf uns abfeuerten. Was konnte das Gesetz von nun an noch bedeuten, jetzt wo die Gesetzeshüter selbst die Gesetzesbrecher waren?
    Ich war groß und schnell für mein Alter – am St Columb’s College war ich Geländeläufer. Daher konnte ich vor der Polizei weglaufen, und zudem hatte ich eine Gasmaske der britischen Armee. Mein ältester Bruder Eamonn, der Lehrer war, war zuvor eine Zeit lang Mitglied der Freiwilligen der „British Territorial Army“ gewesen, und ich entwendete seine Gasmaske aus dem Schrank in seinem Zimmer und nahm sie mit an die vorderste Krawallfront, wo das CS-Gas stark verdichtet war. Mein Bruder Cahir hatte gerade fünf Jahre Dienst in der britischen Luftwaffe beendet, und ich war stolz auf den Besitz der Armee-Uhr, die er mir vom Luftwaffenstützpunkt Muharraq in Bahrain zu meinem Geburtstag geschickt hatte. Mein Cousin Raymond war ebenfalls bei der Royal Air Force. Ich war keineswegs der Sprössling einer Familie von irischen Patriotismus-Fanatikern, sondern an britische Dinge und Institutionen gewöhnt.
    Die Polizei war dabei, Steine und größere Brocken zu schleudern, CS-Gasgeschosse auf Menschen abzufeuern, mit ihren Panzerfahrzeugen in die Menge hineinzufahren und sie mit ihren Waffen zu bedrohen.
    Ich stand da und schaute zu, bis jemand mich bat, die Maske an Leute auf dem Dach des höchsten Wohnblocks der Rossville Street weiterzugeben, die unablässig Flaschenbomben auf die Polizei herabprasseln ließen und sie dadurch daran hinderten, weiter in die Bogside einzudringen – diese kleine Gruppe von Widerständlern war so erstaunlich erfolgreich, weil das Gebäude so hoch war. Die Polizei beschoss sie ohne Erfolg mit CS-Gasgranaten.
    Ich gab die Maske ab und bekam ein paar tiefe Züge CS-Gas in die Lungen. Nach einer Weile hatte ich es verkraftet. Alle atmeten es ein, und die meisten hielten es mit Hilfe verschiedener improvisierter Gegenmaßnahmen einigermaßen aus. Dazu gehörten essiggetränkte Taschentücher (die ich genauso unangenehm wie das Gas fand), und Fässer oder Wassereimer, in welche die Wagemutigsten die gasversprühenden, heißen Granaten hineinwarfen. Es war tatsächlich so, dass ich genau wie Hunderte anderer junger Leute das Zeug überleben und immer noch Steine und Brandsätze werfen konnte.
    Mein Problem war, dass ich mich noch nie an Krawallen beteiligt hatte – ich hatte wirklich noch niemals eine Flaschenbombe geworfen. So beobachtete ich fasziniert die Tollkühnsten, die buchstäblich bis an die Polizeifront heranrannten, bevor sie ihre Brandsätze schleuderten, um die „schwarzen Bastarde“, wie die Polizisten wegen der Farbe ihrer Uniform genannt wurden, in Brand zu stecken. Ich sah, wie sie aus einer Gasse hinter einer Mauer Nachschub bekamen, die sich ganz vorn an der Kampffront befand. Ich drängte mich bis zu dieser Gasse durch und schaute den Kämpfern zu, die nur wenige Meter von den bewaffneten Polizisten entfernt agierten. Ihr Mut beeindruckte mich, und ich wollte sofort zu ihnen gehören – sie waren diejenigen, die die Polizei am Eingang zur Bogside erfolgreich aufhielten.
    Ich nahm eine Flaschenbombe aus einer Getränkekiste, die in der Nähe stand, entzündete den Lappen an dem

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