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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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unverhältnismäßig große öffentliche Beachtung ein, und selbst Leute, die den gewählten Zeitpunkt für die Durchführung des Demonstrationsmarschs angesichts der ohnehin schon angespannten Lage anfangs verurteilt hatten, konnten jetzt einfach nicht anders, als mit den Marschierern zu sympathisieren. Für den Tag, an dem diese in Derry ankommen sollten, wurde ihnen zu Ehren ein öffentliches Treffen auf dem Platz an der Guildhall arrangiert. Mir schien es ganz selbstverständlich, ihnen ein paar Meilen aus der Stadt hinaus entgegenzuwandern. Dieser Gang führte mich (zusammen mit einem Schulfreund) durch den überwiegend protestantischen Ostteil von Derry, der „Waterside“ genannt wird. Wir trafen auf die Marschierer, als wir gerade am Altnagelvin-Krankenhaus vorbei waren.
    Ich weiß noch, welch ein Schock und welche Angst mich erfasste, als ich sie auf uns zukommen sah, blutverschmiert und mit improvisierten Bandagen. Sie waren einige Meilen zuvor an der Burntollet-Brücke eines höchst brutalen Angriffs von protestantischen Extremisten geworden. Die anwesende Polizei hatte in offensichtlicher Billigung des Überfalls tatenlos zugesehen. Das war zwar nichts Neues, aber es war jetzt schlagartig jedem bewusst, dass die Route zur Stadtmitte von Derry mitten durch eine noch größere Verdichtung von protestantischem Gebiet führte und es zu weiteren Übergriffen kommen konnte. All das wurde voller Panik lautstark diskutiert, während wir alle weiter voran marschierten.
    Die Befürchtungen erwiesen sich als berechtigt. Wieder wurden die Marschierer attackiert, diesmal von höher gelegenem Gelände im Stadtgebiet, hinter der Spencer Road in der Nähe der Craigavon-Brücke. Ich erinnere mich an einen Hagel von Flaschen und Ziegelsteinen, der auf uns niederschlug, während wir weiterrannten. Erwachsene ergriffen Jugendliche wie mich und drängten uns in den Schutz der Gebäude, über die die Wurfgeschosse geflogen kamen.
    Mein vierzehnter Geburtstag lag in diesem Monat, während die politische Lage in Nordirland sich unter dem Protest der Bürgerrechtsbewegung und den heftigen Gegenangriffen der von extremistischen Protestanten unterstützten Polizei verschlimmerte. Ausschreitungen wurden so alltäglich, dass es nichts Ungewöhnliches war, wenn Bürger, die nicht daran beteiligt waren, sich einen Weg am Rande des Krawallgetümmels entlang suchten, um sich irgendwie zu den dahinter gelegenen Orten ihren täglichen Pflichten zu begeben. Auf meinem täglichen Schulweg musste ich mich oft um einen Tumult herum und durch eine Polizei-Demarkationslinie winden, wobei es offensichtlich war, dass ich in meiner Schuluniform zu diesem Zeitpunkt nichts mit dem Randalieren zu tun hatte.
    Man konnte sich aber nicht darauf verlassen, dass die Polizeiknüppel Nichtbeteiligte aussparen würden. Zwei Katholiken, der neunundsechzigjährige Frank McCloskey aus Dungiven, außerhalb von Derry, und der vierundvierzigjährige Samuel Devenney aus der William Street starben 1969 als Folge von Polizei-Übergriffen. Kein Polizist wurde jemals wegen dieser Morde belangt. Sammy Devenny wurde in seinem eigenen Haus, zwei Straßen von meinem und zwei Häuser von dem meiner Tante entfernt, angegriffen und niedergeknüppelt. Selbst der damalige Premierminister von Nordirland, Major James Chichester-Clark, beschuldigte die Royal Ulster Constabulary einer „Verschwörung des Schweigens“, aber diese verbarg die Mörder in der Sicherheit ihrer Reihen. Noch immer decken sie Mörder, wie man an den ergebnislosen Ermittlungen des britischen Polizisten John Stalker sehen kann, der in den 80er Jahren gezielte Erschießungen durch RUC-Polizisten aufzudecken versuchte ... .
    Die schwerste aller Ausschreitungen, in welcher die Polizei schließlich aufgeben musste, bahnte sich im Sommer 1969 an. Der Sommer ist in Nordirland allgemein keine Zeit der Unbekümmertheit, da es die Jahreszeit ist, in der die pro-britischen Protestanten Märsche zum Gedenken an längst vergangene Siege über die alteingesessenen irischen Katholiken abhalten. Der 12. Juli ist der Tag der Oranier-Paraden; diese heißen so nach Wilhelm von Oranien, der vor mehreren Jahrhunderten importiert wurde, um als protestantischer Souverän dem Katholikenkönig Jakob gegenüberzustehen. Die Oranier marschieren mit lauten Blaskapellen und Trommlern nicht nur durch protestantische, sondern besonders gezielt durch katholische Wohngebiete – der Sinn der Sache liegt nämlich darin, Salz in uralte

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