The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
zerlumpten orangenen Overall, der Lilly irgendwie bekannt vorkommt, aber sie kann sich gerade nicht entsinnen, woher.
»Lasst ruhig, der gehört mir«, verkündet Lilly in die Runde, als sie eine ihrer Ruger aus dem Gürtel zieht und langsam in Richtung des nahenden Zombies hebt.
Die anderen bemerken die Unterbrechung, halten inne, ziehen ebenfalls ihre Waffen. Sie beobachten Lilly, wie sie wie versteinert dasteht und den Lauf auf den Leichnam des immer näher kommenden Beißers richtet. Sie wartet noch einen Augenblick, steht stocksteif da, bewegt keinen Muskel. Der Rest der Gruppe starrt sie an, als Lilly in aller Seelenruhe, beinahe gelangweilt, sich endlich dazu entschließt, den Abzug zu drücken. Wieder und immer wieder, bis keine Kugel mehr im Magazin ist.
Die Waffe stößt zurück, das Mündungsfeuer blitzt auf, und der schwarze Leichnam tanzt ruckartig für einen Moment auf der Laderampe. Aus den Löchern der Kugelaustritte schießt Blut. Die Patronen penetrieren die harte Schädeldecke, zerfetzen die vorsichtig geflochtenen Cornrows und lassen Brocken des vorderen Hirnlappens und graue Rückenmarkflüssigkeit in den Himmel schießen. Lilly starrt emotionslos vor sich hin.
Der Beißer klappt zusammen und fällt in einem blutigen Haufen auf die Laderampe.
Lilly, umgeben von dem blauen Dunst des Schießpulvers, murmelt etwas vor sich hin. Niemand hört ihre Worte. Die anderen starren eine Weile auf die Szene, die sich ihnen bietet, bis Austin endlich auf sie zutritt und sagt: »Gut gemacht, Calamity Jane.«
Martinez bricht den Bann, der über der Gruppe liegt: »Okay … lasst uns weitermachen, Leute! Ehe noch mehr von denen Hunger kriegen!«
Sie steigen in den Truck. Lilly ist die Letzte, findet gerade noch genug Platz auf der übervollen Ladefläche. Sie sitzt auf einer der Propangasflaschen und hält sich an einer der Seitenschienen fest, damit sie nicht allzu sehr hin und her geworfen wird. Dann werden die Türen der Fahrerkabine zugeworfen, der Motor heult auf, und der Truck schießt vorwärts.
Lilly erinnert sich plötzlich – aus irgendeinem Grund kommt es ihr erst jetzt, als der Truck sich rasch von der Szene entfernt –, wo sie einen solchen orangen Overall, wie ihn der Typ trug, schon einmal gesehen hat. Es ist die typische Kleidung für Sträflinge.
Sie fahren über den Parkplatz, die Auffahrt entlang auf die Seitenstraße, als Barbara Stern plötzlich die Stille durchbricht: »Das war kein schlechtes Tageswerk für eine Bande emotionaler Krüppel.«
David Stern beginnt zu kichern, als alle auf der Ladefläche einstimmen. Schließlich fällt auch Lilly ein und kugelt sich vor Lachen aus verrückter, trunkener Erleichterung und Zufriedenheit. Als sie zurück auf dem Highway sind, ist jeder von ihnen vor Aufregung und Vorfreude geradezu benommen.
»Kannst du dir den Ausdruck auf den Gesichtern der DeVries’-Kinder vorstellen, wenn sie all den Traubensaft sehen?« Barbara Stern in ihrer ausgebleichten Jeansjacke ist ganz aufgeregt. »Ich habe schon gedacht, dass sie völlig ausflippen würden, als uns letzte Woche die Limo ausgegangen ist.«
»Und was ist mit dem leckeren löslichen Kaffee von Starbucks?«, schaltet David sich ein. »Ich kann es kaum erwarten, diesen gottverdammten gemahlenen Kaffee auf den Komposthaufen zu werfen!«
»Und wir haben auch alle Lebensmittelgruppen mitgehen lassen, oder?«, schaltet Austin sich begeistert ein, der auf einer Kiste gegenüber von Lilly sitzt. »Müssen immer auf eine gesunde Ernährung bedacht sein: Zucker, Koffein, Nikotin und Torte. Hey, die Kids werden mindestens einen Monat lang im Zuckerrausch liegen.«
Seitdem sie einander kennen, lächelt Lilly den jungen Mann zum ersten Mal an. Austin erwidert ihren Blick mit einem Zwinkern. Seine langen Locken werden von der Zugluft der flatternden Plane um sein attraktives Gesicht gewirbelt und hüpfen auf und ab.
Lilly wirft einen Blick durch die Luke auf die menschenleere Landstraße, die sie jetzt in Windeseile entlangrasen. Durch die Baumwipfel des rasch in der Ferne verschwindenden Waldes dringen vereinzelt wärmende Sonnenstrahlen. Einen Augenblick lang verspürt sie das Gefühl, als ob Woodbury doch noch eine Chance für sie böte. Wenn es nur genügend Leute gäbe, die so nett wie diese Gruppe sind – Leute, die füreinander eintreten, sich umeinander kümmern –, könnten sie den Stier bei den Hörnern packen und eine neue, funktionierende Kommune aufbauen.
»Du hast dich heute
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