The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
wirklich keine Ahnung, was genau Sie damit sagen wollen.«
»Passen Sie auf.« Dr. Stevens setzt sich die Brille wieder auf und fährt sich erschöpft mit der Hand durch die Haare. »Was auch immer mit den Gebeinen Ihres Freundes passiert … Bitte hören Sie auf mich. Trauern Sie allein, zollen Sie Ihren Tribut im Stillen.«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragt die verletzte Frau, noch immer etwas verwirrt.
Der Arzt tauscht erneut einen Blick mit Alice aus, das Lächeln auf seinen Lippen verschwindet, als er sich wieder Christina zuwendet und ihr in die Augen sieht. »Sie werden sich erholen. In einer Woche oder so … sobald Ihr Arm wieder in Ordnung ist … können Sie darüber nachdenken, uns und unser Kleinod hier zu verlassen.«
»Aber ich …«
»Und noch etwas.« Dr. Stevens starrt sie an. Er senkt die Stimme um eine Oktave, und sein Gesichtsausdruck wird noch ernster: »Dieser Mann. Der Governor. Ihm ist nicht zu trauen. Verstehen Sie? Er ist zu allem fähig. Gehen Sie ihm also aus dem Weg, wann immer möglich … Halten Sie so lange durch, bis Sie uns verlassen können. Verstehen Sie, was ich Ihnen da rate?«
Sie antwortet nicht, sondern erwidert nur seinen intensiven Blick, saugt seine Worte buchstäblich in sich auf.
Dunkelheit legt sich über das Städtchen. Aus einigen Fenstern leuchtet Laternenlicht, während andere bereits mit dem Flackern von unregelmäßig gespeisten Glühbirnen erhellt werden – die Regler der Generatoren bräuchten mal wieder eine Wartung. Während der Nacht besitzt Woodbury das surreale Erscheinungsbild eines Ortes aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert, der hundert Jahre zurück in die Vergangenheit transportiert worden ist. Das Städtchen strahlt eine Atmosphäre aus, wie man sie nun in allen Siedlungen dieser neuen, von der Plage heimgesuchten Welt findet. An einer Straßenecke erhellen Fackeln ein mit Brettern verschlagenes, ausgeplündertes McDonald’s. Das gelb-orange Licht wird von den Überresten seiner zerfallenden goldgelben Bögen reflektiert.
Martinez’ Männer sind auf ausfahrbaren Arbeitsbühnen an strategischen Schlüsselpositionen entlang des Verteidigungswalls stationiert und beginnen, sich der wachsenden Anzahl wandelnder Schatten entlang der Baumgrenze zuzuwenden. Der Beißer-Verkehr ist seit der Rückkehr der Ausflugspartie um einiges dichter geworden, und an der Nord- und Westseite von Woodbury stört das Knattern von .50-Kaliber-Waffen periodisch die Nachtruhe. Es taucht die kleine Stadt – die jetzt in der violetten, nebligen Dämmerung liegt – in die Stimmung eines Kriegsgebietes.
Lilly Caul befindet sich auf dem Heimweg, in den Armen eine Holzkiste, die vor Vorräten überzuquellen droht. Als sie an einer Schaufensterfront vorbeikommt, hört sie das verräterische Geräusch von Maschinengewehren hinter sich, das durch die windgepeitschte Straße hallt. Sie hält inne und sieht sich um, als eine Stimme über dem dröhnenden Geschützfeuer ertönt.
» LILLY , WARTE AUF MICH !«
In dem stroboskopartigen Licht der Leuchtfeuergeschosse, die durch den Himmel sausen, eilt die Silhouette eines jungen Mannes mit fließenden, dunklen Locken in Lederkleidung auf sie zu. Austin trägt eine Tasche voller Lebensmittel. Weitere Vorräte hat er in einen Rucksack gestopft, den er sich über die Schulter geworfen hat. Er lebt einen halben Häuserblock westlich von Lilly. Als er auf sie zukommt, grinst er sie freundlich, beinahe erwartungsvoll an. »Warte, ich helfe dir.«
»Geht schon, Austin. Ich habe es bis hierher geschafft, und den Rest packe ich auch noch«, lehnt sie ab, als er versucht, ihr die Holzkiste abzunehmen. Für einen Augenblick ziehen beide an der Kiste, bis Lilly endlich nachgibt. »Okay, okay … nimm sie .«
Austin klemmt sich die Kiste unter den Arm und geht mit dynamischen Schritten neben Lilly her. »Das war affengeil heute, oder? Was für ein Adrenalinschub!«
»Immer mit der Ruhe, Austin … Gaaanz sachte!«
Sie nähern sich Lillys Wohnung. In der Ferne patrouilliert ein bewaffneter Mann neben der Reihe Sattelschlepper am Ende der Straße. Austin schenkt Lilly dasselbe provokative Lächeln, mit dem er sie schon seit Wochen aufzureißen versucht. »Wir haben heute ein wenig Kameradschaftsgeist auf dem Schlachtfeld geschnüffelt, was? So etwas verbindet, weißt du? Oder findest du nicht?«
»Austin, kannst du nicht bitte einfach mal deine Klappe halten?«
»Aber ich komme doch langsam durch zu dir, oder nicht?«,
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