The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
Sie, dass Sie das in die Wege leiten könnten?«
Der dürre Mann rutscht mit dem Stuhl näher an ihr Bett heran. »Ich glaube, dass wir in diesem Fall deinem Wunsch entgegenkommen können. Das heißt, wenn du deinerseits mitspielst.«
»Wenn ich was?«
Der Governor zuckt mit den Schultern. »Ach, nur ein paar Fragen beantworten, nicht mehr und nicht weniger.« Er holt eine Packung Kaugummi aus seiner Weste, nimmt einen und steckt ihn sich in den Mund. Dann bietet er Christina einen an, aber sie lehnt ab. Er lässt das Päckchen wieder in seiner Weste verschwinden und rutscht noch näher zu ihr. »Du musst verstehen, Christina … Die Sache ist die … Ich bin verantwortlich für meine Leute. Es gibt da eine … eine Sorgfaltspflicht , die ich aufrechterhalten muss.«
Sie blickt ihn an. »Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen.«
»Du und der Pilot, wart ihr allein? Oder gab es noch andere Leute, als ihr losgeflogen seid?«
Wieder schluckt sie, wappnet sich. »In unserem Versteck waren wir nicht allein.«
»Wo?«
Sie zuckt mit den Achseln. »Ach, Sie wissen schon, hier und da.«
Der Governor lächelt und schüttelt den Kopf. »Christina, Christina, Christina … So einfach geht das hier nicht.« Er stößt mit der Rückenlehne gegen die Krankentrage – jetzt ist er nah genug, dass sie seinen Atem riechen kann: Zigaretten, Kaugummi und irgendetwas nicht Identifizierbares wie verdorbenes Fleisch. Er fährt mit sanfter Stimme fort: »Vor Gericht könnte ein guter Anwalt jetzt auf die Idee kommen, Einspruch einzulegen, weil die Zeugin Informationen zurückhält.«
Er überschreitet eine Grenze , ertönt eine Stimme in Christinas Kopf. Ihm ist nicht zu trauen, der ist zu allem fähig . Ihre Antwort ist zwar kaum lauter als ein Flüstern, aber sie sagt: »Ich war mir nicht bewusst, dass ich hier vor Gericht stehe.«
Aus dem mageren, mit tiefen Falten gezeichneten Gesicht des Governors schwindet jedes Anzeichen von Nettigkeit. »Du brauchst vor mir keine Angst zu haben.«
Sie starrt ihn an. »Ich habe keine Angst vor Ihnen.«
»Die Sachlage ist folgende: Ich will niemanden dazu zwingen, etwas zu tun, was er nicht will … Mein einziges Streben liegt darin, dass es allen gutgeht.« Mit einer sorglosen Geste, als ob er seinen Arm abbürsten will, platziert er seine knochige Hand auf der Krankentrage – herausfordernd zwischen ihre Beine. Er berührt sie nicht, lässt die Hand aber zwischen ihren bandagierten Beinen liegen. Die ganze Zeit starrt er sie unentwegt an. »Es ist nur … Ich tue alles, was getan werden muss, um sicherzugehen, dass unsere Gemeinschaft überlebt. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
Sie senkt den Kopf, schaut auf seine Hand und den Dreck unter seinen Fingernägeln. »Ja.«
»Also, warum fängst du nicht an, mir etwas über die große, weite Welt zu erzählen, Schätzchen. Ich bin ein guter Zuhörer.«
Christina stößt einen qualvollen Seufzer aus, sackt in sich zusammen und starrt auf ihren Schoß. »Ich war für Channel 8, WROM , der Fox-Tochter, in Nord-Atlanta tätig … war Sendeleiterin für Beiträge … Kuchenbasare, vermisste Haustiere und so Zeug. Habe in dem großen Wolkenkratzer an der Peachtree Road im Nordosten gearbeitet. Der mit dem Heliport auf dem Dach.« Ihr Atmen wird schwerfällig, der Schmerz scheint sie zu erdrücken, aber sie redet weiter. »Als die Katastrophe anfing, waren circa zwanzig von uns in dem Gebäude. Wir saßen fest … haben uns mit den Lebensmitteln in der Cafeteria im vierten Stock über Wasser gehalten … dann haben wir den Helikopter genommen, um nach Vorräten zu suchen.« Sie hält inne, ist außer Atem.
Der Governor starrt sie weiterhin an. »Und? Habt ihr noch Vorräte?«
Christina schüttelt den Kopf. »Nein … nichts. Kein Essen, keinen Strom … nichts. Als wir keine Lebensmittel mehr finden konnten … sind die Leute aufeinander losgegangen.« Sie schließt die Augen, versucht die Erinnerungen zu verdrängen, die sich ihr wie Szenen aus einem Snuff-Movie aufdrängen: die blutbespritzten Warmhaltetheken in der Cafeteria, die vielen Monitore in den Büros und Produktionsräumen, die nichts als Rauschen zeigen, der abgetrennte Kopf in dem verdreckten Tiefkühlraum, die Schreie in der Nacht. »Mike hat mich unter seine Fittiche genommen, Gott hab ihn selig. Er war Pilot für den Verkehrsfunk … jahrelang haben wir zusammengearbeitet … bis wir endlich … wir haben uns auf das Dach geschlichen und
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