The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
Blumenmuster auf dem Teppich an. »Warum muss er denn ständig genäht werden?«
Karen hielt kurz inne und seufzte. Ich nutzte die Gelegenheit, um tief durchzuatmen.
»Die Jagd ist gefährlich. Ich bin immer froh, wenn er nur mit einem Schnitt oder einem Bluterguss wieder auftaucht. Meine größte Sorge ist, dass er irgendwann überhaupt nicht mehr zurückkommt. Aber er will ja nicht auf mich hören. Er ist viel zu stur.«
Ich öffnete den Mund, um sie nach der Jagd zu fragen, aber sie redete weiter.
»In meinem anderen Leben war ich Krankenschwester, weißt du.«
»In deinem anderen Leben?«, wiederholte ich.
»So nennen wir die Zeit vor der Tollwut. Als das Leben noch schöner war.« Sie schwieg einen Augenblick lang. Als sie wieder zu reden anfing, klang es, als würde sie ein Selbstgespräch führen. »Schon komisch, dass wir das Virus immer noch ›Tollwut‹ nennen, obwohl es doch so viel tödlicher ist. In meinem anderen Leben habe ich viele Tollwutpatienten behandelt. Von denen hat keiner versucht, mich zu fressen .«
Ich nickte, obwohl ich ihr nicht ganz folgen konnte. Dann zuckte ich zusammen, als sie sich wieder an die Arbeit machte.
»Halt still.« Wieder machte sie eine Pause. »Joshua hat mir gar nicht gesagt, wie du heißt.«
»Sherry«, sagte ich leise. So sehr ich auch dagegen ankämpfte, meine schmerzende Kopfwunde und die Sorge um meinen Dad trieben mir die Tränen in die Augen.
»Schön, mal ein neues Gesicht zu sehen. Das schenkt mir Hoffnung.« Beim letzten Satz brach ihre Stimme. Sie räusperte sich. »Wie gesagt, ich war Krankenschwester. Und dank Joshua komme ich nicht aus der Übung. Mein Mann war übrigens Lehrer.«
»Ist er ...?« Ich verstummte, unsicher, wie ich die Frage richtig formulieren sollte.
»Er lebt. Er wohnt auch hier.«
Ich freute mich für sie. Schließlich hatte ich miter lebt, wie hart einen der Verlust eines geliebten Menschen treffen konnte. Nach Grandpas Tod war Grandma nicht mehr dieselbe gewesen.
»Wie lange seid ihr schon hier in Safe-haven?«
Karen überlegte mit gespitzten Lippen. »Etwas über ein Jahr.«
»Über ein Jahr?« Wie hatten sie sich so lange gegen die Weepers zur Wehr gesetzt? Dad und ich hatten ohne Hilfe ja nicht mal ein paar Stunden durchgehalten.
»Es ist nicht leicht, aber wir halten zusammen«, sagte Karen.
Dass sie es geschafft hatten, in dieser neuen Welt so lange zu überleben, war ein tröstlicher Gedanke. Vielleicht hatte ja auch meine Familie eine Chance.
»Wie viele Menschen leben hier?« Ich schaffte es, beim Sprechen den Kopf ruhig zu halten. Ich lernte schnell – obwohl mein damaliger Klassenlehrer da wohl anderer Meinung gewesen wäre.
»Joshua, mein Mann Larry, Geoffrey, Marie und ihre Tochter Emma, und Tyler, obwohl wir nicht wissen, ob das sein richtiger Name ist. Wir nennen ihn Tyler, weil dieser Name auf sein Handgelenk tätowiert ist.« Sie ließ mein Haar sinken und klatschte in die Hände. »Fertig.«
»Warum wisst ihr nicht, wie er wirklich heißt?«
Karen ging um das Sofa herum und setzte sich neben mich auf die Armlehne. »Tyler spricht nicht. Ich glaube, er erinnert sich nicht an allzu viel. Als Joshua ihn gefunden hat, war er in ziemlich schlechter Verfassung.« Sie schluckte hörbar und sah aus dem Fenster. Die Sonne verschwand hinter den Hügeln.
»Hast du sonst noch Verletzungen, um die ich mich kümmern sollte?« Sie sah mich von oben bis unten an.
Ich nickte. »Ein paar blaue Flecken, aber das wird schon wieder. Mein rechter Fuß tut weh. Ich bin beim Weglaufen in eine Glasscherbe getreten.«
Ein brennendes Schuldgefühl durchfuhr mich. Wäre Dad noch hier bei mir, wenn ich nicht weggelaufen wäre?
Karen ging in die Knie. Vorsichtig zog sie mir den Turnschuh und die blutgetränkte Socke aus. Als sie die feuchte Baumwolle von meiner Haut stülpte, verzog ich das Gesicht. Mit ernster Miene untersuchte sie meine Fußsohle. »Das muss auch genäht werden«, sagte sie mit einem bedauernden Lächeln. Ich atmete tief durch die Nase ein, legte meinen Kopf auf die Lehne und schloss fest die Augen.
Karen arbeitete vorsichtig und schnell. Trotzdem taten die Stiche verdammt weh. Es war viel schlimmer als das Nähen der Kopfwunde.
»Seid ihr die einzigen Überlebenden? Hat das Militär mit euch Kontakt aufgenommen?« Ich hatte Angst vor der Antwort.
Karen schüttelte den Kopf. Sie verband meinen Fuß und setzte ihn vorsichtig auf dem Boden ab. Ich entspannte mich.
»Nein, das Militär hat nur diese
Weitere Kostenlose Bücher