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The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)

The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)

Titel: The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Winnacker
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Warnung gesendet. Allerdings hatten wir Kontakt mit zwei weiteren Gruppen von Überlebenden hier in Kalifornien. Leider können wir mit unserem Funkgerät keine Fernverbindungen aufbauen. Daher wissen wir nicht, ob es im Rest des Landes noch weitere Überlebende gibt. Aber inzwischen hat das Funkgerät den Geist aufgegeben, und wir hören überhaupt nichts mehr.«
    Es gab also weitere Überlebende. Ich spürte, wie sich die Muskeln in meinen Schultern wieder entspannten. »Weißt du, ob sich die Tollwut über Nordamerika hinaus ausgebreitet hat? Wie können wir denn das Militär kontaktieren?«
    Sie sah mich an. »Oh, Sherry. Es gibt kein Militär mehr. Die Tollwut hat alles vernichtet.«

Draußen schrie jemand. Ich sah von meinen Hausaufgaben auf. Weitere Schreie. Eine Rauferei. Eine der Stimmen gehörte Bobby. Was machte er so kurz vor der Ausgangssperre noch draußen? Wegen ihm würden wir noch Ärger bekommen. Ich ging zum Fenster und spähte hinaus. Bobby stand auf dem Gehweg. Ein paar ältere Jungs hatten ihn umzingelt. Sie schubsten ihn und lachten ihn aus.
    Der größte der Jungen stieß gegen Bobbys Schulter, sodass er das Gleichgewicht verlor und hinfiel. Er hatte die Augen weit aufgerissen. Seine Lippen zitterten.
    Als sie meine Schritte auf dem Asphalt hörten, sahen die Jungen auf. Sie lächelten mich höhnisch an und dachten, sie wären cool. Vollidioten.
    »Lasst ihn in Ruhe«, sagte ich.
    Kichern. »Der Kleine braucht ein Mädchen, das ihn beschützt. Ist das deine Freundin?«
    Was für ein Blödmann.
    Bobby wurde rot. Er hatte Tränen in den Augen.
    »Ich bin seine Schwester. Und jetzt haut ab.«
    Ich drängte mich an ihnen vorbei und stellte mich vor Bobby. Die Jungs waren älter als ich. Und größer. Dämliche Möchtegernmachos. Sie versuchten, mich einzuschüchtern.
    »Verpiss dich, du Schlampe.«
    Ich erstarrte. Meine Finger ballten sich zur Faust.
    Es war ein großartiges Gefühl, als meine Knöchel auf sein Kinn prallten.

Fünf
    Ein kleiner, dünner Mann mit schulterlangem Haar stand in der Tür und lächelte mich an. Als sich unsere Blicke trafen, wurde sein Lächeln breiter, und gelbe Zähne kamen zum Vorschein. Ein Schneidezahn fehlte. In seinem schwarzen Haar waren graue Strähnen. Seine verknitterten, abgetragenen Klamotten trugen noch zu seiner heruntergekommenen Erscheinung bei. Doch ich konnte nicht anders – ich musste zurücklächeln.
    Joshua erschien hinter dem Mann und überragte ihn bei Weitem. Er zwängte sich an ihm vorbei ins Wohnzimmer und ließ sich in einen Sessel fallen. »Das ist Geoffrey.« Er nickte in Richtung Tür.
    Geoffrey schüttelte den Kopf, als hätte Joshua soeben ein Kapitalverbrechen begangen. »Das ist wohl kaum eine angemessene Vorstellung«, sagte er und ging mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Er verbeugte sich leicht. »Geoffrey Hall. Zu meiner Zeit hat man den Männern noch Manieren beigebracht.«
    Joshua setzte eine finstere Miene auf. »Tja, diese Zeiten sind wohl vorbei. Wen interessieren denn noch Manieren? Jetzt geht’s nur ums Überleben.« Wie zur Bestätigung legte er die Beine auf die Armlehne.
    Geoffrey ließ meine Hand los, als hätte man ihn scharf ermahnt. Dann nickte er wie ein Kind, das soeben eine Standpauke bekommen hat. »Ja, ja. Diese Zeiten sind vorbei, nicht wahr?«
    Karen warf Joshua einen wütenden Blick zu und verließ den Raum, wobei sie etwas Unverständliches murmelte. Ganz offensichtlich fand sie seinen Kommentar völlig unnötig. Da musste ich ihr zustimmen.
    Geoffrey ließ sich auf dem Sessel neben Joshua nie der und zog ein Stück Papier aus der Tasche seiner Khakihose. Er faltete den Zettel auf und legte ihn auf den Tisch. Mit einem wehmütigen Blick strich er das Papier liebevoll glatt. Ich warf Joshua einen fragenden Blick zu, aber der starrte nur aus dem Fenster.
    »So habe ich in meinem anderen Leben ausgesehen«, sagte Geoffrey leise.
    Ich rutschte auf die Sofakante, um besser sehen zu können. Es war ein Ausschnitt aus einem Wissenschaftsmagazin. Das Papier war bereits vergilbt und an den Kanten eingerissen. Ich stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und betrachtete das Foto. Es zeigte Geoffrey, aber andererseits auch irgendwie nicht. Der Mann auf dem Bild erhielt gerade einen Forschungspreis. Er trug einen schwarzen Anzug. Sein kurzes schwarzes Haar war zurückgekämmt. Er wirkte sehr stolz, fast selbstgefällig. Der Geoffrey vor mir war nur noch ein Schatten dieses Mannes.
    »Alles fing ganz harmlos an.

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