The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
meine Fragen eine Mauer zwischen uns errichtet.
Ungeschickt gingen wir die Treppe hinauf. Er öffnete eine Tür auf der rechten Seite. Aus einem der anderen Räume war eine leise Unterhaltung zu hören, aber ich konnte keine einzelnen Worte ausmachen. Ein Mann und eine Frau. Vielleicht Karen und ihr Mann?
»Das ist dein Zimmer.« Er machte Platz, damit ich eintreten konnte.
Ich ging ein paar zögerliche Schritte in den Raum, dann drehte ich mich um. Er war schon dabei, die Tür hinter sich zu schließen.
»Tut mir leid. Ich wollte nicht neugierig sein. Ist mir nur so rausgerutscht. Es ist schon eine Weile her, dass ich mit jemandem geredet habe, der nicht zu meiner Familie gehört.« Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Ich kam mir so dämlich vor.
Joshua schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. »Ich rede einfach nicht gerne darüber.« Er starrte auf den Boden. »Vielleicht erzähl’ ich’s dir irgendwann.«
»Okay.« Ich trat von einem Fuß auf den anderen. Oh Mann, wie peinlich!
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Dann gute Nacht.« Er drehte sich um.
»Du, Joshua?«
Er sah sich mit einem kaum verborgenen Grinsen zu mir um. »Jaaa?«
»Wo ist eigentlich dein Zimmer?«
Joshua hob erstaunt die Augenbrauen. Hoffentlich kam er jetzt nicht auf dumme Gedanken.
»Nur für den Fall, dass was passiert, verstehst du? Ich bin’s nicht gewohnt, nachts ganz alleine zu sein. Im Bunker war ja immer jemand in der Nähe.« Und vor den Weepers war man dort auch sicher, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich biss mir auf die Lippen und spürte, wie ich wieder rot wurde.
Jetzt versuchte er nicht mehr, das Grinsen zu verbergen. »Gleich den Flur runter. Weck mich auf, wenn was ist.«
Ich versuchte erst gar nicht, meine Erleichterung vor ihm zu verbergen. »Danke.« Es gab so viele Dinge, für die ich ihm dankbar sein musste. Er hatte mich gerettet, er wollte nach meinem Dad suchen, er war für mich da.
Ich glaube, er sah die Dankbarkeit in meinen Augen.
Er nickte leicht. »Versuch zu schlafen.«
Die Tür fiel ins Schloss.
Stille. Die Dunkelheit schien durch das Fenster direkt in mich hineinzukriechen. Mir war so kalt, innerlich wie äußerlich. Meine Hände fingen an zu zittern; kleine Vibrationen, die in den Fingerspitzen anfingen und dann wie flüssiges Eis durch meinen Körper fuhren. Draußen schrie eine Eule ihr Klagelied.
Vier Stunden waren vergangen, seit ich Dad zum letzten Mal gesehen hatte. Vor sechs Stunden hatte ich mich von Mom, Bobby, Mia und Grandma verabschiedet. Sie waren hungrig gewesen. Besorgt. Ängstlich.
Und ich hatte in aller Ruhe Nudeln gegessen und mit Joshua geredet. Ich schleppte mich zum Bett hinüber und ließ mich darauf fallen. Tränen stiegen mir in die Augen. Sie liefen über meine Wangen. Ihre salzige Bitterkeit verdrängte den süßen Geschmack der Tomaten und Paprika. Ich war so ekelhaft egoistisch. Ich schniefte und versuchte, mich wieder in den Griff zu kriegen. In den drei Jahren im Bunker hatte ich fast nie geweint. Da würde ich doch jetzt nicht damit anfangen.
Genug. Reiß dich zusammen.
Ich sah an mir herab. Ich war mit Blut und Dreck überzogen. Bei diesem Anblick drehte sich mir der Magen um. Und das Schlimmste war: Das Blut auf meiner Jeans war nicht mal mein eigenes. Es war Dads Blut. Wie schwer ihn die Weepers wohl verletzt hatten? Auf dem Boden des Supermarkts war eine Unmenge Blut gewesen.
Ich musste mich säubern. Sofort. Eine Dusche. Ich musste duschen. Ich öffnete die Tür und spähte in den Flur. Niemand zu sehen. Wo war nur das Badezimmer? Ich hätte Joshua fragen sollen.
Ein Heulen aus weiter Entfernung.
Das war keine Eule. Ich erstarrte. Mein Herz klopfte wie verrückt.
Noch ein Heulen.
Näher diesmal.
Sie waren ganz nah.
Schritte. Ich erschrak. Ich unterdrückte einen Schrei, als ich herumwirbelte, um mich meinem Angreifer zu stellen. Meine schreckgeweiteten Augen fielen auf Ka ren, die gerade die Treppe hinaufkam. Sie lächelte, als sie mich sah, doch dann bemerkte sie meinen entgeisterten Gesichtsausdruck.
»Was ist los?«
Ich atmete keuchend aus. »Ich hab ein Heulen gehört.«
Karen runzelte besorgt die Stirn. Ein weiteres Heulen ertönte. Schwer zu sagen, ob es jetzt näher war, doch sie wirkte erleichtert. »Keine Angst. Das sind nur Kojoten. Die sind harmlos.«
»Keine Weepers?« Zu meinem Ärger klang meine Stim me sehr ängstlich.
»Nein. Die halten sich von Safe-haven fern. Sie bleiben in den Städten. Keine Sorge.« Sie
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