The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
Schließlich bin ich bei den Undergrounders in der Kanalisation aufgewacht.«
»Das tut mir leid«, flüsterte ich.
Sie nickte abwesend. »Noch Wochen später wollte ich am liebsten tot sein. Ich hatte noch nie so große Schmerzen.«
Jetzt fühlte ich mich wieder richtig schlecht. »Ist es denn überall so schlimm?«, fragte ich.
»An der Ostküste ist es angeblich noch halbwegs erträglich, besonders in der Gegend um Washington, New York und Boston. Da sind jetzt die Reichen und Mäch tigen. Man kommt nur mit Passierschein rein. Gerüchten zufolge geht der Großteil unserer Energie und unseres Wassers dafür drauf, dass sich die Reichen waschen können und es schön bequem haben.«
Obwohl ich diese Leute gar nicht kannte, hasste ich sie sofort. Wären Bobby und Dad noch am Leben, wenn unsere Familie auch so viel Geld gehabt hätte? Plötzlich sorgte ich mich um Mia und Mom. Sie waren alles, was mir noch geblieben war. Wie es ihnen wohl ging?
Wie sollte ich ihnen das mit Bobby nur erklären?
Nach einigen Meilen tauchte ein graues Gebäude mit mehreren Schornsteinen in der Entfernung auf. Dunkler Rauch stieg in den Himmel.
»Wir vermuten, dass sie dort neue Waffen herstellen. Aber das weiß niemand so genau«, sagte Alexis.
»Was für Waffen?«
»Keine Ahnung«, antwortete Alexis.
Die Sonne stand nun direkt über uns. Außer unseren Atemzügen war nichts zu hören. Langsam wanderten meine Gedanken zu Bobbys Schuh zurück … und dem blutigen Autositz. Alexis’ Worte hallten in meinem Kopf. War Bobby tatsächlich noch am Leben? Ich wischte die Hoffnung beiseite. Nein, das war unmöglich.
Eine Ansammlung von Wohnmobilen stand neben einer Straße zu unserer Rechten. Wir gingen darauf zu und setzten uns in den einladenden Schatten eines der Fahrzeuge. Die Fenster waren eingeworfen, und auf allem lag eine dicke Staubschicht. Hier lebte schon seit Jahren niemand mehr. Joshua reichte mir eine Flasche. Ich trank den letzten Schluck warmen Wassers und ließ mich ge gen die Außenwand eines Wohnmobils fallen. Tyler stand neben uns und betrachtete den Horizont. Ich berührte sein Bein, und er drehte sich mit verwirrtem Gesichtsausdruck zu mir um. »Du musst was trinken«, sagte ich.
Er nickte und holte eine Wasserflasche aus dem vor seinen Füßen liegenden Rucksack. Sie war noch immer halbvoll. Er hatte seit Stunden nichts getrunken.
»Was ist mit den Leuten passiert, die hier gewohnt haben?«, fragte Joshua.
Alexis verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blinzelte uns an. »Das Militär hat sie umgesiedelt. Einige sind nach Vegas gezogen, aber die meisten haben ihr Glück im Osten versucht. Ich war zwar nicht dort, aber ich habe gehört, dass Chicago und Philadelphia von Flüchtlingen überrannt wurden – arme Teufel, die man nicht in die reichen Städte lässt.«
»Wenn so viele Leute an der Tollwut gestorben sind, wie kommt es dann, dass die Städte derart überfüllt sind?«, fragte ich.
»Ja, es sind viele gestorben, aber die meisten an der Westküste. Seit alles rationiert wurde, strömen die Leute vom Land in die Städte. Sie glauben, dass das Leben dort besser ist. Die Medien berichten nicht darüber, aber ich hab gehört, dass die Situation in Philadelphia und Chicago der reinste Albtraum ist. Zu viele Menschen, zu wenig Nahrung und Strom. Es gab Ausschreitungen.«
»Je mehr ich höre, desto mehr hasse ich diese Seite«, sagte Joshua.
»Die Leute wollen eine Veränderung?«, fragte ich. Vielleicht können wir das zu unserem Vorteil nutzen, dachte ich und erinnerte mich an die Kameras in unseren Rucksäcken. Wenn wir genug Beweise aufnehmen konnten – von den Undergrounders, dem Labor, dem Ödland – dann könnten wir tatsächlich etwas bewirken. Es könnte der Anfang von etwas Neuem sein … einer Revolution.
Alexis unterbrach meine Gedanken: »Was ist mit dem Ödland? Gibt es da noch viele Überlebende?«
Vor 9 Stunden und 13 Minuten war Rachel gestorben. Seit 709 Minuten war Bobby verschwunden.
Ich fuhr mit den Fingern durch den Staub. »Wir und ein paar andere wohnten an einem Ort namens Save- haven. Viele sind wir nicht mehr. Wir konnten unseren eigenen Strom erzeugen und Regenwasser sammeln. Nicht viel, aber genug, um zu überleben.«
Alexis stand auf und klopfte sich den Schmutz von ihren Shorts. »Los, gehen wir weiter. Bei Sonnenuntergang will ich in Vegas sein.«
Widerwillig sammelten wir die leeren Flaschen zusam men und folgten ihr aus dem Schatten der Wohnmobile in die
Weitere Kostenlose Bücher