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The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)

The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)

Titel: The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Winnacker
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sonnendurchflutete Ebene.
    Nach ein paar Stunden deutete Alexis auf ein herun tergekommenes, verlassenes Motel vor uns – eines von Hunderten im Umland von Las Vegas. Alexis führte uns auf einen Parkplatz voller Autos mit platten Reifen und eingeschlagenen Fenstern. Ein Wagen stach heraus, weil seine Fenster schmutzig, aber noch intakt und seine Rei fen nicht ganz so platt wie die anderen waren. Neben dem Auto saß ein Junge.
    Joshuas Hand fuhr sofort zur Waffe.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Alexis mit verschmitz tem Lächeln. »Das ist Marty, der zweite Späher.« Der Junge hatte einen kahlgeschorenen Kopf, und seine Ge sichtszüge hatten etwas leicht Elfenhaftes. Er konnte nicht viel älter als Bobby sein. Er stand auf. Sein Blick wanderte zwischen Joshua, Tyler und mir hin und her.
    »Ich hab sie am Zaun aufgesammelt«, erklärte Alexis. »Was war bei dir so los?«
    Marty starrte Joshua an, der die Hand immer noch auf der Waffe liegen hatte. »Sie hätten mich zweimal fast entdeckt.«
    Alexis schnalzte mit der Zunge. »Die Helikopter fliegen jetzt häufiger als früher.« Sie öffnete die Wagentür. »Hast du den Tank vollgemacht?«
    »In den anderen Autos war noch ein bisschen Benzin. Hat aber eine Weile gedauert.«
    »Sehr gut«, sagte Alexis bestimmt. »Hauen wir ab, bevor uns noch jemand bemerkt.«
    Die Sonne verschwand hinter dem Horizont, und es wurde dunkel. Das Schild, auf dem früher »Willkommen im sagenhaften Las Vegas« gestanden hatte, war durchgestrichen. Jetzt hieß es: »Willkommen im sagenhaften Lost Vegas.«
    »Lost Vegas? Das verlorene Vegas?«
    Alexis nickte. »So nennen die Leute die Stadt inzwischen. Ihr werdet gleich sehen, warum.«
    Ich starrte aus dem Fenster und erwartete, jeden Augen blick die vertraute Skyline in der Entfernung zu sehen.
    Aber alles blieb dunkel.
    Als ich zum letzten Mal mit meinen Eltern hier war, hatten die vielen Neonreklamen die Stadt in ein kun terbuntes Wunderland verwandelt. Tausende Touristen hatten die Straßen bevölkert. Jetzt waren nur wenige Menschen mit verhärmten Gesichtern und abgetragenen Klamotten zu sehen. Vom alten Las Vegas war nichts mehr übrig.
    »Das war mal das Bellagio.« Alex deutete vor sich.
    Um besser sehen zu können, drückte ich mein Gesicht gegen die Scheibe. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie gern ich die Wasserspiele beobachtet hatte, die sich im Takt der Musik bewegten. Ich wurde enttäuscht. Der große künstliche See vor dem Bellagio war ausgetrocknet. Hier hatte es schon seit langer Zeit keine Wasserspiele mehr gegeben.
    »Die Rationierung von Wasser und Strom war das Todesurteil für Vegas«, sagte ich.
    »Nein, das ging schon vorher los. Die Menschen woll ten nicht so nahe am Zaun leben. Die Regierung hat die Hotelbesitzer dabei unterstützt, ihre Geschäfte nach Osten zu verlagern. Und das haben sie auch getan.«
    »Und wer ist geblieben?«
    »Leute, die ihre Heimatstadt nicht verlassen wollten oder konnten, weil sie zu arm waren. Kriminelle und Ausgestoßene. Und die Familien derjenigen, die auf der Militärbasis oder in einer der Waffenfabriken in der Gegend arbeiten.«
    Wir bogen in eine noch finsterere Gasse ein. Schon bald verwandelte sich die Teerstraße in einen Schotter weg. Alexis stellte den Wagen inmitten eines großen Schrottplatzes ab. »Hier verstecken wir unsere Autos«, erklärte sie. »Es kommt ja niemand mehr hierher.«
    Sobald wir ausgestiegen waren, schossen mir Tränen in die Augen. Meine Kehle und meine Nase brannten – Schwefel. Alexis und Marty wickelten sich Stofffetzen um den Kopf, um Mund und Ohren zu bedecken. Tyler, Joshua und ich hatten nur unsere Ärmel als Schutz. Wir überquerten den Schrottplatz und kamen zu einem Maschendrahtzaun, hinter dem sich eine jäh abfallende Mauer befand.
    Marty und Alexis kletterten über den Zaun, und wir folgten ihnen. Der Vorsprung auf der anderen Seite war kaum breit genug, um darauf zu stehen. Meine Schuhspitzen ragten über den schmalen Absatz, und im Mond licht erkannte ich, dass es dahinter fast drei Meter bis zum Erdboden waren.
    »Das ist der Eingang zur Kanalisation«, erklärte Alexis.
    »Da müssen wir runter?«, fragte Joshua.
    »Genau«, sagte Alexis knapp und führte uns zu einer Reihe rostiger Metallsprossen, die die Wand hinabführten.
    Mit pochendem Herzen nahm ich den Abstieg in die Kanalisation in Angriff. Noch hatte ich mich vom Tunnel unter dem Zaun nicht so recht erholt, und meine Furcht wuchs, je weiter wir vorankamen.

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