The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
etwas weniger deutlich formuliert. Dieses Leben zwang uns alle zu einer gewissen Gefühllosigkeit.
Tyler starrte auf den Boden, als ob er sich schämen würde. Schließlich hob er den Kopf. »Nein. Ich schaff das schon.«
Ich wollte protestieren, doch bevor ich etwas sagen konnte, klopfte Joshua Tyler auf die Schulter. »Gut«, sagte er. »Und jetzt komm was essen. Hier gibt’s das beste Rattenfleisch der Welt.«
Gemeinsam gingen wir nach nebenan und ließen Tyler bei Marty, der ihm begeistert den Grill erklärte.
Sobald Tyler außer Hörweite war, packte ich Joshua am Arm. »Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist, ihn mitzunehmen.«
Joshua seufzte. »Schon klar. Er wirkt ziemlich durch den Wind. Und genau deshalb will ich ihn auch nicht hier zurücklassen.«
Ich nickte. Die Entscheidung war gefallen – jedes Widerwort war zwecklos. Außerdem musste ich Joshua noch etwas anderes fragen. »Glaubst du, dass dein Dad uns helfen wird, wenn du mit ihm redest?«
Joshua starrte auf seine Füße. Sein Haar fiel über seine Augen, sodass ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. »Er ist mir noch was schuldig.« Mehr hatte er nicht dazu zu sagen.
»Sherry, es ist soweit«, sagte Dad.
Ich sah mich noch einmal in unserer Straße um. Die Stahltür zum Bunker der Smiths war bereits vor einer Stunde ins Schloss gefallen und hatte mich von meiner besten Freundin Izzy getrennt. Jetzt waren wir an der Reihe.
»Sherry.« Dad berührte meine Schulter.
»Was ist mit Muffin? Wir müssen auf ihn warten.«
Dad wirkte ungeduldig. »Die Soldaten haben ihn verscheucht. Wer weiß, wann er wiederkommt.«
»Aber wir können ihn doch nicht hier draußen lassen!«
»Er wird schon durchkommen. Es sind doch nur ein paar Wochen. Er kann ja Mäuse jagen.«
Zögerlich schloss ich die Haustür und folgte Dad durch den Flur in den Bunker. Die anderen warteten bereits am Fuß der Treppe, die zu unserem neuen Zuhause auf Zeit führte. Ich blieb an Dads Seite, während er die Stahltür zuzog. Als er die drei Schlösser vorlegte, verzog ich das Gesicht.
Langsam ging ich die Treppe hinunter. Ich sah die kleine behelfsmäßige Küche zur Linken, den alten Esstisch, den bis obenhin mit Nahrungsmitteln vollgestopften Speiseschrank, den Fernseher mit dem Sofa davor und die Betten an den Wänden. Hier würden wir also wohnen, bis die Tollwut eingedämmt war.
Doch schon bald sollte der Bunker zu unserem Gefängnis werden.
Neun
Alexis weckte uns um kurz vor sechs auf. Ich hatte kaum geschlafen, sondern die ganze Nacht lang über Dad und Bobby nachgegrübelt und mir Sorgen um Joshua gemacht.
Kakerlaken huschten davon, als Alexis und Quentin uns aus der Kanalisation führten. Schilf wucherte aus den Spalten im feuchten Asphalt. Ein Libellenschwarm schwirrte um uns herum.
»Hier, nicht vergessen«, sagte Alexis und reichte Jos hua einen Autoschlüssel. »Der alte Buick.« Quentin schob die Hände in die Hosentaschen und beobachtete schweigend unseren Aufbruch.
Joshua, Tyler und ich stiegen die rostige Leiter hinauf. Die Träger meines mit dem Camcorder und dem Proviant beladenen Rucksacks schnitten in meine Schulter.
Joshua und ich stiegen vorne ein, Tyler nahm auf dem Rücksitz Platz. Er hatte den ganzen Morgen über kein Wort gesprochen.
Ich breitete die Landkarte auf meinen Knien aus.
»Bereit?«, fragte ich.
Joshua umklammerte das Lenkrad. »Nein, aber das ändert auch nichts.«
Als wir wegfuhren, hoffte ich, dass wir diesen Ort wie dersehen würden. Und dass wir bei unserer Rückkehr das Heilmittel im Gepäck hatten.
Das Brummen des Motors und die drückende Hitze lie ßen mich schon bald einschlummern. Als mich Joshua aufweckte, war es schon nach Mittag.
Ich blinzelte den Schlaf weg. Ein Sturm zog auf und färbte den Himmel dunkelgrau. Nebel hing über den Straßen, sodass wir nur ein paar Meter weit sehen konnten.
»Sind wir schon da?«, fragte ich.
»Nein. Tut mir leid.« Er sah mich an. »Ich hab nur die Stille nicht mehr ausgehalten.«
Tyler lag mit geschlossenen Augen auf der Rückbank. Ich nahm Joshuas Hand.
»Nein, mir tut es leid. Ich hätte wach bleiben und dir Gesellschaft leisten sollen.«
Trotz des Nebels fuhren wir ohne Scheinwerfer, damit uns die Hubschrauber nicht sehen konnten. Zunächst waren die Straßen verlassen, doch dann entdeckten wir erste Lebenszeichen: Heruntergekommene Häuser, in deren Fenstern Licht brannte, mehrere Autos, die an uns vorbeifuhren, darunter richtige Rostkübel mit
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