The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
kleine Lichtung, die wir gerade durchquerten, bekannt vorkam.
Joshua funkelte mich böse an und faltete die Karte auf, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was er sich davon versprach. Wir wussten ja nicht einmal genau, wo wir überhaupt waren. Einen Augenblick später schob er sie in die Gesäßtasche seiner Jeans zurück. »Wir müssen noch weiter rauf. Der richtige Weg führt in die Berge.«
Entschlossen ging er nach rechts. Tyler und ich folgten ihm schweigend. Meine Waden brannten beim Aufstieg. 2 Stunden und 21 Minuten – und kein Ende in Sicht. Ich dachte an Dad, der alleine in L.A. war. Ob er sich bereits in einen Weeper verwandelt hatte? Ich hatte ihn vor fünf Tagen zum letzten Mal gesehen. Laut Karen dauerte es sechs bis acht Tage von der Infektion bis zur Verwandlung. Wut stieg in mir auf – ich hätte alles für die Gewissheit gegeben, dass mein Dad in Sicher heit und am Leben war. Einen seltsamen, grausamen Moment lang hatte ich nicht das geringste Mitleid mit Joshua. Schnell verdrängte ich diesen Gedanken wieder. Wir mussten zusammenhalten, wenn wir das hier über leben wollten.
Plötzlich durchbrach Tyler das Schweigen. »Ich brauch eine Pause«, sagte er.
Obwohl Joshua weitergehen wollte, hielten wir an und ließen uns auf den Boden fallen. Tyler verteilte den Rest Rattenfleisch und gab jedem einen Keks. Wir aßen schweigend, während Joshua die Karte noch einmal mit Quentins Wegbeschreibung verglich. Bestimmt hatten wir uns verirrt und waren die letzten zwei Stunden im Kreis gelaufen.
Ein Brüllen ertönte.
Ich zuckte zusammen und zog die Waffe. Tyler erstarrte, die Hand mit dem Keks vor dem Mund. Joshua kauerte bereits mit wachen Augen und gezückter Pistole neben mir.
»Was war das?«, flüsterte ich. »Das klang wie …«
»Ein Weeper«, beendete Joshua den Satz.
»Auf dieser Seite? Das ist doch unmöglich!«
»Vielleicht halten sie sie zu Versuchszwecken. Geoffrey hat ja so etwas Ähnliches vermutet. Um sie zu studieren und das Heilmittel an ihnen zu testen«, sagte Tyler.
Joshua blieb wachsam. »Dann kann das Labor nicht mehr weit sein. Ich bezweifle, dass sie sie einfach frei rumlaufen lassen.«
Wir standen auf und gingen weiter in die Richtung, aus der das Brüllen gekommen war. Ein leises Brummen drang durch den Wald zu uns, wurde aber mit jeder Sekunde schwächer.
»Ein Motor«, sagte Joshua.
Tyler nickte. »Klang wie ein Lastwagen oder ein Bus.«
Wir rannten in Richtung des verklingenden Geräuschs durch die Bäume. Unsere Schritte und unser keuchender Atem übertönten alle anderen Geräusche. Schließlich lich tete sich der Wald, und ein schmaler grauer Streifen wurde durch die Äste sichtbar. Eine Straße.
Langsam und vorsichtig schlichen wir weiter.
Ein schmaler Pfad ging von der Straße ab und führte zu einer Reihe von Häusern. Dahinter ragte ein großes weißes Gebäude wie ein hässlicher Geier aus den bewaldeten Hügeln auf. Es war von Sonnenkollektoren umgeben, und auch das Dach war mit Solarzellen bedeckt. Das Ganze erinnerte mich an eine Kathedrale. Als ob sich die Wissenschaftler zu Ehren ihrer Fortschritte ein Heiligtum erbaut hätten. Der gesamte Komplex war von einer hohen, mit Stacheldraht gekrönten Mauer eingezäunt. Der einzige Eingang führte durch ein mit einem elektronischen Schloss gesichertes Eisentor. Das musste das Labor sein. »Sollen wir das filmen?«, fragte ich.
»Nein«, zischte Joshua, ohne mich dabei anzusehen. »Quentin hat gesagt, dass sie es schon mal im Fernsehen gezeigt haben, weißt du nicht mehr?«
Was war nur zwischen Joshua und mir los? Es war unerträglich.
»Wahrscheinlich wohnen die Wissenschaftler in den Häusern da«, sagte Tyler, um die Situation zu entschärfen.
Joshua nickte Tyler zu, ohne mich weiter zu beachten. »Bleiben wir eine Weile hier und checken die Lage.«
Ich ging neben Joshua im Gebüsch in die Hocke, wobei ich darauf achtete, ihm nicht zu nahe zu kommen. Wir beobachteten das Labor. Mit Maschinenpistolen be waffnete Wachen patrouillierten um das Tor herum. Jetzt fiel mir auf, dass modernste Überwachungskameras zwischen dem Stacheldraht angebracht waren. Wie sollten wir da nur hineinkommen?
Nach ein paar Stunden ging die Sonne unter. Der Wald färbte sich grau. Auf der Straße erschienen zwei helle Lichter, das Brummen eines Motors wurde lauter, und einige Augenblicke später war ein Bus zu erkennen, der auf das Tor zuhielt und davor stehen blieb. Verschwommene Gesichter starrten aus den
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