The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
Schwester zurückbekommen würde. Wir hatten das Video gesendet, doch nichts hatte sich ge ändert. Bei diesem Gedanken wurde mir das Herz schwer. Einen anderen Plan hatten wir nicht, und ohne ein Ziel vor Augen kam ich mir leer und nutzlos vor.
Joshua beobachtete mit gerunzelter Stirn die Vögel. »Keine Ahnung.« Er sah mich an. »Was würdest du denn gerne tun?«
»Ich will ein sicheres Leben für uns. Und eine bessere Zukunft für Bobby und Mia«, sagte ich mit fester Stimme.
»Das liegt nicht in unserer Macht.«
»Wirklich nicht? Vielleicht wäre es an der Ostküste sicherer.«
»Du hast Alexis doch gehört. Dort gibt es Unruhen. Wir würden wieder kämpfen, nur diesmal nicht gegen die Weepers, sondern gegen die Grausamkeit der Regierung. Wir würden nach wie vor Hunger leiden. Wer weiß, womöglich ist es dort noch schlimmer?«, sagte Joshua.
»Was sollen wir denn sonst tun?«
»Das Beste aus unserem Leben hier machen, schätze ich«, sagte er.
»Ja, kann sein.«
Vor unseren Augen stießen zwei Möwen ins Wasser und tauchten einen Augenblick später mit Fischen in den Schnäbeln wieder auf. Anscheinend vermissten sie die Menschen nicht besonders. In einiger Entfernung dösten Pelikane am Strand. Hinter ihnen ragten die Berge auf. Trotz allem war dieser Anblick fast unerträglich schön.
Ich hob den Kopf und schmiegte mich enger an Joshua. Er hob die Hand und strich durch mein Haar, dann beugte er sich vor, bis sich unsere Lippen berührten. Sein Kuss war sanft und schüchtern, als müssten wir nach den Tagen der Unsicherheit, der Trauer und der Verzweiflung erst wieder zueinander finden. Meine Finger umklammerten sein Hemd und zogen ihn zu mir.
»Sherry! Joshua!« Der Wind trug uns eine vertraute Stimme zu, und wir lösten uns voneinander. Tyler rannte mit rotem Kopf auf uns zu. Er keuchte schwer, als er uns erreichte und vor der Bank stehen blieb. Anscheinend war er den ganzen Weg hierher gelaufen.
Joshua und ich standen auf.
»Was ist los?« Mir versagte die Stimme.
Tyler holte tief Luft. »Joshuas Dad spricht im Radio. Sie haben unsere Botschaft erhalten.«
»Mom!« Ich rannte die Treppe hinunter, wobei ich einfach nicht aufhören konnte, mit der Zunge das Loch zu betasten, in dem mein Zahn gesteckt hatte. Es schmeckte seltsam salzig und metallisch. »Mom!«
Endlich erschien sie in der Wohnzimmertür. »Du blutest ja! Was ist passiert?« Sie eilte zu mir, hob meinen Kopf und besah sich meine Lippe, von der ich das Blut leckte. »Ich hab einen Zahn verloren. Guck.« Ich riss den Mund weit auf und deutete auf das Loch.
»Den, der schon länger gewackelt hat?«
Ich nickte und hielt ihr meine Handfläche mit dem Zahn darauf hin. »Ich hab ihn hier.«
»Dann leg ihn unter dein Kissen, damit es die Zahnfee auch bemerkt«, sagte Mom lächelnd.
Ich grinste, wirbelte herum und rannte die Treppe hinauf in mein Zimmer, wo ich den Zahn unter das Kopfkissen steckte. Hoffentlich beeilte sich die Zahnfee. Bis jetzt hatte sie mir immer Süßigkeiten oder Geld gebracht. Ich tippte mit einem Finger gegen die anderen Zähne. Vielleicht war ja noch einer locker. Ob ich wohl was ganz Besonderes bekommen würde, wenn ich gleich zwei Zähne für die Fee hatte?
Leider wackelte keiner. Seufzend ließ ich die Hand sinken. Ein Zahn musste wohl genügen.
Zwanzig
Meine Lungen brannten, als ich hinter Joshua und Tyler in den Aufenthaltsraum stolperte, dem größten Raum des Missionsgebäudes, in den wir Stühle und einen Tisch aus den anderen Zimmern gestellt hatten. Obwohl wir noch zwei Sofas aus einem Nachbarhaus geholt hatten, reichten die Sitzplätze nur knapp.
Alle Bewohner von Safe-haven hatten sich bereits dort versammelt, und es war gerammelt voll.
Karen und Larry saßen auf einem Sofa, Mom, Bobby und Mia auf dem anderen. Sobald ich eintrat, warf sich Mia in meine Arme. Ich hatte ein schlechtes Gewissen; in den letzten Tagen war so viel passiert, dass ich kaum Zeit für sie gehabt hatte. Ich hob sie auf, und sie schlang die Beine um meine Hüfte. Maria saß mit ihrer Tochter Emma neben Marty, Quentin, Alexis und ein paar anderen Un dergrounders auf dem Boden. Alle beobachteten Geoffrey, der auf einem Stuhl vor dem Funkgerät kauerte. Stille erfüllte den Raum wie weißes Rauschen.
»Es ist dein Vater«, sagte Geoffrey und wandte sich Joshua mit vor Aufregung ganz fiebrigem Blick zu. »Er will mit dir reden.«
Joshua verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Miene verdüsterte sich.
»Mit uns will er
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